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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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Lesermeinungen (1) Leseprobe Blogger (1) |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Birgit Böllinger vom Büro für Text und Literatur für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Ditha Brickwell gibt es auf ihrer Autorenseite und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Die Stiefmutter wurde wieder schwanger und der Vater hatte aus Zwetschgen heimlich Schnaps gebrannt und wenn er mit dem klaren Wasser in dem Glas gegen die Nachbarn und ihren Hohn trank und wenn er gegen den harten Boden und die stumpfe Pflugschar und gegen die schartigen Sensen noch ein Glas hob und wenn er gegen das schale Brunnenwasser, gegen den Hagel, die hinkende Kuh und den faulenden Hafer sich je einen schweren Schluck Schnaps gönnte und dann noch einen, so glitzerten böse seine Augen und die Kinder versteckten sich. Nur die Genoveva nicht, die blieb stehen und fing an zu weinen. Stand mitten im Vorhaus und die Tränen strömten. Und das machte den Arm des Vaters schlaff und die Weidenrute weich. »Dich hat der Vater nie geschlagen«, sagte Thomas zu ihr, später, nach dem Krieg. Ich sollte für das Fach Geschichte lernen und die Genoveva mein Wissen abprüfen und dabei Perlen fädeln und nicht selber Geschichten erzählen. Aber ich mochte sie so sehr, diese Lebenserkundungen, sie steuerten die Gedanken auf die Wahrheit zu – in der Leichtigkeit der Erzählung schwingt der Unterton der uns alle bedrohenden Lebensereignisse mit. Es ist Ertüchtigung und Erlösung zugleich, so ein Waschgang der Seele durch eine Lebensgeschichte … Also hörte ich weiter zu, stichelte mit Fragen nach ihren Bildern im Kopf.
»In meiner Erinnerung ist das Jahr 1914 blau«, erzählte Genoveva, »weil die Luft des Sommers lichtblau und der Himmel seidenblau oder leuchtend blau war und weil die Uniformen der Männer, die ins Dorf kamen und vor der Kirche standen, aus tiefblauem Tuch genäht waren. Blass wie Heu war 1915 und grün wie die Wiesen im Sommer das Jahr 1916 – und ein neues Kind lag im Stubenwagen, der Rudolf. Das Jahr 1917 aber war gelb und braun; davon will ich jetzt erzählen; es war gelb wie Mais, braun wie Melasse, gelb und braun, wie der Kuchen (oder war es Brot?), den die Stiefmutter aus den Zuckerrüben herauspresste, herauswerkte, in den Ofen schob und heiß wieder herausholte.« Es war eine schwere Hungersnot. |
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