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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei J. Vellguth für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu J. Vellguth gibt es auf ihrer Autorenseite, bei Twitter, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Kapitel 1
Naked Truth - Abby Anderson
Welcher Vollidiot bretterte mitten in der Nacht durch Zäune? Annie hatte sich die Schrotflinte über die Schulter gehängt und den Cowboyhut gegen die Morgensonne in die Stirn gezogen. Der schwere Zaunpfahl schleifte hinter ihrem Begleiter über den staubigen Pfad. Verfluchte Dalton-Brüder. Jetzt waren sie endgültig zu weit gegangen. Wegen dieser dummen Kinderei kam sie auch noch zu spät. Nicht, dass es ihr etwas ausgemacht hätte. Graue Wände anzumalen war nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung. Trotzdem. Das war ihr Job und sie wollte ihre Freundin Ronda nicht warten lassen. Charly schnaubte leise und stupste seine warme Nase aufmunternd in ihre Seite. Sofort verrauchte ihre Wut. Er war einfach immer im richtigen Moment für sie da. Annie streichelte seinen sandbraunen Hals und achtete darauf, dass die Überreste des Pfahles, den er hinter sich herzog, nicht unter seine Hufe gerieten. »Du hast recht, es ist ja wirklich nur Kinderkram.« Sie lächelte und war so dankbar für ihren Freund. Er war alles, was ihr von der Familie noch geblieben war. Aber Trübsal blasen half jetzt auch nichts. Sie schob diese Gedanken beiseite und gemeinsam marschierten sie zielstrebig weiter über den Schotterpfad. Zu ihrer Linken breiteten sich schier endlose Weiden aus, das Gras wogte grün und saftig unter dem azurblauen Himmel und in der Ferne lag das vermaledeite Anwesen der Daltons. Sie wandte den Blick ab. Rechts von Annie erstreckte sich ein Ausläufer des Waldes, der die Straße von Daltons Creek bis zu ihrem Haus säumte. Kopfschüttelnd dachte sie daran, dass ein paar Touristen aus Europa mal bekrittelt hatten, dass es hier zu wenig Wüste gäbe für Texas. Dafür mussten sie schon ein ganzes Stück weiter nach Westen fahren. Annie war es trotz der Bäume heiß genug, vor allem, wenn man körperlich arbeiten musste. Umso glücklicher war sie über die Hilfe ihres Freundes. Gemeinsam mit Charly bog sie um die letzte Kurve des holprigen Weges aus trockener Erde. Das kleine Cottage, das irgendwann einmal zum Anwesen der Daltons dazugehört hatte, begrüßte sie bereits von weitem. Annie lebte schon hier, so lange sie denken konnte. Ihr Vater hatte die Holzschindeln auf Wunsch ihrer Mutter sonnengelb gestrichen, lange vor Annies Geburt. Das blasser werdende Gelb regelmäßig aufzufrischen, war seine Art gewesen, immer wieder deutlich zu machen, dass er nun der Herr im Hause war und die Daltons keine Macht mehr über ihre alte Stallmeisterbehausung besaßen. Ein wehmütiges Lächeln zupfte bei der Erinnerung an ihrem Mundwinkel. Ja, das hier war Annies Heim, sie würde es sich nicht madig machen lassen und auf jeden Fall das Haus ihrer Eltern bewahren. Es war ihr völlig egal, dass sie in dieser Gegend niemals Unterstützung finden würde, ja, nicht einmal willkommen war. Sie brauchte niemanden. Sollten sich diese bescheuerten Dalton-Brüder doch auf den Kopf stellen und auf ihrem Recht bestehen. An Annie würden sie sich die Zähne ausbeißen. Sie würde sich nicht vertreiben lassen. An den drei Treppenstufen zur Veranda angekommen, befreite sie Charly von seiner Last. Dann brachte sie das rüstige Pferd auf die kleine Wiese hinter dem Haus. Sie strich ihm über den Hals und ein kleiner, aber feiner Schmerz durchzuckte ihre Finger. So ein Mist. Sie musste unbedingt diese dummen Splitter loswerden, die der Holzpfahl darin hinterlassen hatte. Also ging sie durch die Hintertür ins Haus und bog gleich nach rechts in das winzige Badezimmer ab. Sie stellte ihr Gewehr zur Seite, beugte sich über das Waschbecken und zog die spitzen Holzfasern aus ihrer Haut. Dabei begann sie erneut sich zu ärgern. Diesmal über sich selbst. Warum war sie letzte Nacht nicht rausgegangen und hatte den Brüdern die Meinung gegeigt, als sie das Krachen der Bäume gehört hatte? Weil es keinen Sinn machte, sich mit drei erwachsenen Männern anzulegen – nachts – im Wald – allein. Weil es generell zwecklos war, sich mit diesen Typen anzulegen. Sie waren genauso dickköpfig wie Mister Dalton Senior. Ein Splitter nach dem anderen landete im Waschbecken. Die meisten ließen sich spurlos entfernen, aber manche zeichneten mit flüssigem Rot filigrane Muster auf das feuchte Porzellan. Sie könnte dem Sheriff Bescheid sagen. »Tha!«, entfuhr es ihr bitter. Damit er mich auslacht? Der nächste Splitter steckte ganz besonders tief in ihrem Fleisch. Annie sog scharf die Luft ein, während sie versuchte, das Biest zu packen. Doch es wehrte sich. Blöde Splitter. Blöde-Dalton-Brüder. Blöder Sher… Bumm. Das Geräusch war nur ganz leise. Sie blickte auf und starrte im Spiegel die junge Frau mit Pferdeschwanz und Cowboyhut an. Bumm. So leise. War das Einbildung? Bumm. Nein. Da waren definitiv Schritte! Ihr Herz begann zu rasen. Das kam von der Veranda. Die Dalton-Brüder waren zurück. Ganz sicher! Sie wollten ihrem dummen Streich von letzter Nacht die Krone aufsetzen. Nicht mit mir! Klimpernd ließ Annie die Pinzette ins Waschbecken fallen, schnappte sich ihre Schrotflinte und eilte leise den Flur entlang, durch die Wohnküche und zum Vordereingang. Mit der einen Hand auf dem kühlen Türknauf blieb sie stehen und lauschte. Es war völlig still. Beängstigend still. So still, dass sie das Pochen ihres eigenen Blutes in den Ohren hören konnte. Hatte sie sich geirrt? Draußen rauschte lediglich der Wind sachte in den umliegenden Bäumen. Stellten die Feiglinge sich vielleicht tot, um sie rauszulocken? Zuzutrauen war es ihnen. Annie dachte an den Gülleeimer, der einmal über ihrer Tür auf sie gewartet hatte. Moment. War das wirklich Blätterrauschen? Oder ein Motor in der Ferne? Das Blut raste nun so laut in ihren Ohren, dass sie es nicht sagen konnte. Ein Knarzen vor der Tür. Die Verandadielen! Da ist jemand. Jetzt war sie ganz sicher. Ihr Herz beschleunigte noch einmal den Rhythmus und Annies Mund wurde so staubtrocken, dass sie nicht mehr schlucken konnte. Aber sie hatte ihre Schrotflinte, es war hell draußen und das hier war ihr Zuhause. |
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