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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Ellen Theis für die Einsendung dieser Leseprobe! Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Mit einem Seufzen nahm Gesine ihre Stickarbeit auf und zog einen Faden leuchtendes Rot durch das Nadelöhr. Sie schaltete die Beleuchtung ihrer Lupe ein und widmete sich der Mohnblüte, setzte einen Stich neben den anderen und glättete den Faden mit dem Finger, während sie ihn strammzog. Als die Wanduhr aus dem gegenüber liegenden Wohnzimmer zur halben Stunde schlug, war der Mohn fast vollständig erblüht und Gesine beendete ihre Arbeit. Sie legte den Stoff in den Korb zurück, stand auf und warf einen Blick aus dem Fenster. Auf der gegenüberliegenden Seite rührte sich nichts, das Auto der jungen Leute parkte noch immer am Straßenrand. Sie waren wohl mit der Besichtigung ihres neuen Zuhauses noch nicht fertig. Gesine zog sich Schuhe und Mantel an und verließ kurz darauf ihr Haus. Ihr Ehrenamt war mehr als nur eine sinnvolle Beschäftigung.
„Hallo Gesine, schön, dass du da bist!“, rief Jutta über die Schulter und drehte sich in der Tür zum Verkaufsraum des Sozialen Kaufhauses noch einmal um. „Kannst du bitte die Säcke ausleeren? Das ist die Lieferung aus dem Container von letzter Woche!“ Sie zeigte in eine Ecke neben der Eingangstür und verschwand. „Das musst du nicht, das mache ich schon“, wisperte eine Stimme neben Gesine. „Du willst bestimmt erst mal die Jacke ausziehen.“ Sie wandte sich der Stimme zu, die Gustav gehörte. Gustav war der einzige Mann in ihrer Kaufhaus-Truppe. So nannte der Pfarrer sie, wenn er einen Scherz machen wollte. „Du solltest das auch nicht schleppen, so ein Sack ist schwer“, sagte Gustav und hievte sich das Plastikungetüm auf die Schulter. Er wankte ein wenig, so dass Gesine automatisch den Arm ausstreckte, um Gustav zu stützen. „Du kannst mir am Kaffeetisch einen Platz neben dir freihalten“, schnaubte er, während er sich vornüber beugte und gebückt die wenigen Meter zum großen Tisch in der Mitte des Raumes schlurfte. Dort ließ er den Kleidersack auf die Tischplatte sinken und rollte ihn in die Mitte. Die Hände der Frauen griffen danach und zerrten Kleidungsstücke hervor. Gesine verließ den Sortierrraum, um durch die Verkaufsräume des Kaufhauses zum Aufenthaltsraum zu kommen. Dort hängte sie ihre Jacke an die Garderobe, nahm die Mütze ab und warf einen Blick in den Spiegel, der neben der Garderobe an der Wand hing. Ihr graues Haar stand störrisch nach allen Seiten ab, obwohl sie es heute morgen sorgsam geföhnt hatte. Mit jeder Kopfbedeckung zerstörte sie ihre Frisur, aber so lange noch der kalte Märzwind wehte, würde sie nicht ohne Mütze aus dem Haus gehen. Sie zog einen Kamm aus der Tasche und fuhr sich durch das Haar, versuchte die Strähnen dorthin zu legen, wo sie sie haben wollte. Erst nach einer Weile war sie mit dem Ergebnis zufrieden. Sie kehrte zurück in den Sortierraum, in dem drei Frauen um einen großen Tisch herum standen und die Kleidungsstücke aus dem Haufen wühlten, der sich beim Leeren der Plastiksäcke aufgetürmt hatte. Gesine grüßte in die Runde und stellte sich neben eine pummelige Frau in Jeans und Bluse, die einen hellblauen Pullover kritisch in die Höhe hielt. Sie kannte Doris schon lange. „Ob der noch gut ist?“, fragte Doris und hielt Gesine den Pullover hin. Sie griff danach und schaute prüfend auf die Vorderseite. „Da ist ein Fettfleck“, sagte sie und zeigte auf eine Stelle. „Dachte ich's mir doch“, sagte Doris und warf den Pullover in einen Karton hinter sich. „Das werden viele Putzlappen dieses Mal.“ „Lohnt es sich nicht?“, fragte Gesine und griff nach einer weißen Bluse. „Die sieht doch gut aus!“, sagte sie und kontrollierte die Innenseite des Kragens. Dann griff sie nach den Ärmeln. „Auch keine abgestoßenen Kanten, keine Flecken. In Ordnung!“ Sie griff nach einem Kleiderbügel und hängte die Bluse auf eine Kleiderstange. Dann angelte sie sich die nächste aus dem Haufen. „Hedwigs Haus gegenüber ist verkauft worden“, sagte sie zu Doris und musterte kritisch die bunte Bluse, die sie in der Hand hielt. „An ein junges Paar.“ „Ach, wirklich? Ich dachte, das würden sie abreißen!“, meinte Doris. „Das ist doch meistens billiger als so einen Karton zu renovieren!“ „Nenn es nicht nicht Karton!“, widersprach Gesine heftig, „das heißt Bungalow!“ Sie hängte die bunte Bluse ebenfalls auf die Kleiderstange. Doris grinste. „Ja, ja. Aber von weitem sehen sie aus wie Schuhkartons! Wann ziehen sie ein?“ Sie beugte sich über die Tischkante, um mit ihren kurzen Armen in die Mitte des Kleiderhaufens zu greifen und einen Teil der Sachen zu sich heranzuziehen. „Das wird wohl eine Weile dauern“, sagte Gesine. „Die werden sicher renovieren müssen. Seit Hedwig vor fünf Jahren ins Heim gegangen ist, ist da nichts passiert.“ „Bist du sicher, dass das nicht eine der Töchter ist?“ Doris zupfte sich ihre hochgerutschte Bluse wieder zurecht. Dann griff sie energisch nach einem Ärmel, der vor ihr lag, und zog daran. Gesine schüttelte den Kopf. „Nein, die Frau ist zu jung. Und die Töchter kommen nicht zurück. Sie haben es ja auch nicht geschafft, Hedwig regelmäßig zu besuchen. Die hat jedes Mal gejammert, wenn ich bei ihr im Altenheim war. Dass keins ihrer Kinder sie jemals besucht.“ Mit Schwung warf sie zwei Pullover gleichzeitig in den Karton für die Putzlappen. „Was nicht stimmt“, widersprach Doris, „der Junge, der war öfter da.“ „Ach was“, widersprach Gesine, „der war auch nie da. Woher willst du das denn wissen?“ Doris zuckte die Schultern. „Das hat mein Sohn gesagt. Er kennt ihn aus dem Handballverein. Der spielt alte Herren.“ „Dein Sohn spielt alte Herren? Wie alt ist er denn?“ Gesine konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie hielt die nächste Bluse so hoch, dass Doris ihr Gesicht nicht sehen konnte. |
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