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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Christian Tobias Krug für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Christian Tobias Krug gibt es auf seiner Autorenseite, bei Twitter, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Die andere – die Frau, die ein Hundehalsband trug – trat neben ihn. »Bist du sicher, wir werden ihn finden?« »Wenn nicht, war alles umsonst.« Die beiden blickten sich um, dann verschwanden sie in der Dunkelheit.
***
Nirgends wehte ein Lüftchen und die Hitze lag schwül wie ein Dunstschleier über dem Dach des Schulgebäudes, einem alten Bauwerk mit hohen, verwinkelten Fenstern. Dösend, mit halb geschlossenen Augen, rekelten sich Julian und Florian auf einer der Tischtennisplatten am hinteren Ende des Pausenhofes. Die großen Ferien waren seit wenigen Wochen vorüber und die Sonne brannte heiß auf sie herab. Fast mochte man glauben, der lange Sommer in diesem Jahr versuchte auf seine Weise, milden Trost zu spenden, jedoch heiterte er die gedrückte Stimmung nicht wirklich auf. Beide hatten sie seit vier Nächten nicht vernünftig geschlafen. Julian, weil er unter Albträumen litt, Flo, weil er trauerte. Florian war achtzehn und besuchte mit Julian die elfte Klasse. Auf seinem für gewöhnlich lebhaften Gesicht hatte früher oft ein spitzbübisches Lächeln gelegen – doch war er in der letzten Zeit sehr still geworden und lächelte nur noch selten. Irgendwo auf dem Schulhof erklang ein albernes Lachen. Von der Tischtennisplatte aus sah Julian ein paar Fünftklässler träge auf dem Klettergerüst spielen. Ein leichter Windzug streifte sanft sein Gesicht, als er Nadja entdeckte. Langsam bahnte sie sich einen Weg durch eine Menge von Schülern, die mit ihren Turnbeuteln aus der Sporthalle kamen. Ihr düsterer Kleidungsstil stach aus der Masse hervor wie die sprichwörtliche Distel im Blumenbeet. »Hallo, ihr zwei!« In ihren Händen hielt sie drei Cola-Dosen. »Hi!«, erwiderte Julian und blinzelte, von der Sonne geblendet, zu seiner Freundin hinüber. »Hab uns was gegen die Hitze klargemacht«, meinte Nadja und warf ihnen zwei der Cola-Büchsen zu. Über ihren vollen, mit dunklem Lippenstift bemalten Mund huschte ein Lächeln. »Danke«, murmelte Florian, öffnete den Verschluss der Dose und nahm einen tiefen Schluck. Das eiskalte Getränk belebte Julian nahezu neu, während sich Nadja zu ihm und Flo auf die Tischtennisplatte gesellte und gleichfalls an ihrer Cola nippte. Wie üblich war sie von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet: Ein Kurzrock mit Strumpfhose, ein T-Shirt mit einem boshaft grinsenden Totenschädel, darüber wehte ein Mantel aus Leder. Julian war es ein Rätsel, wie Nadja es bei dieser brütenden Hitze in solch einer Kluft aushielt. »Na, was geht bei euch?«, erklang plötzlich eine weitere vertraute Stimme. »Hey, Kyu-Min!« In Julians Worte trat ein Hauch freudiger Aufregung, als er in das Gesicht seines besten Freundes sah. Kyu-Mins dunkler, lässiger Igelschnitt schimmerte im Sonnenlicht. Unter dem orange leuchtenden T-Shirt glaubte Julian, die festen Konturen seines sportlichen Oberkörpers zu sehen, der unterhalb der Ärmel in zwei kräftigen gebräunten Armen mündete. Meine Fresse, er ist so verdammt …! Bei Kyu-Min stand Christina. Passend zum heißen Wetter steckte sie in einem bunten Top und einer eng anliegenden, sehr kurzen Shorts. Auf ihrem Mund lag ein dümmliches Grinsen. Soweit Julian wusste, belegte sie mit Kyu-Min zusammen den Mathe-Kurs und besuchte wie er die Volleyballgruppe. »Tag auch!«, begrüßte Nadja die zwei. »Und?«, fragte Christina neugierig. »Wie viele waren’s bei euch heute?« »Einige«, antwortete Nadja. »Allmählich kehrt wieder so was wie Normalzustand ein.« »Und bei euch?«, beteiligte sich Julian am Gespräch. »In Mathe waren fast alle da«, sagte Kyu-Min. »Dann scheint die Panik langsam vorbei zu sein«, meinte Christina und lachte. »Vor lauter Angst ist ja schon keiner mehr zur Schule gekommen. Waren bestimmt die Eltern, die wollten ihre lieben Kleinen am besten gar nicht mehr rauslassen!« Julian sah den Anflug von Traurigkeit in Florians Augen. Düster trank Flo einen Schluck Cola und blickte mit einer Grimasse zu Boden. »Ach, verdammt, ich Plappermaul!«, rief Christina, als sie von Julian einen vernichtenden Blick kassierte. »Sorry, Flo, tut mir echt leid, ich wollte nicht …« Wie musste er gewesen sein, der Tag vor zwei Wochen? Als die Polizei bei Florians Eltern im Wohnzimmer gesessen und ihm, Flo, mitgeteilt hatte: Miriam, seine Freundin, war ermordet aufgefunden worden. Die Beamten hatten Florian zur Tat vernehmen wollen und ihn zwangsläufig über die näheren Umstände aufgeklärt. Der Rest der Stadt erfuhr es am darauffolgenden Tag aus der Presse, die lang und breit verkündete: Miriam Härtel sei das fünfte Opfer des Serienmörders, der seit Monaten die örtlichen Straßen und Nachbardörfer unsicher mache. An der Schule hatte sich die Nachricht vom Mord verbreitet wie ein Lauffeuer. Von den Schülern der elften Klasse, die auch Miriam besucht hatte, waren in den ersten Tagen nach ihrem Tod die meisten zu Hause geblieben. Die Lehrer hatten ihr Bestes versucht, die Stimmung im Rahmen des Möglichen aufzuheitern, obwohl ihnen die eigene Beklommenheit mehr als deutlich anzusehen gewesen war. Julian und Kyu-Min sorgten sich seitdem ernsthaft um Florian. Behutsam erkundigten sie sich beide regelmäßig nach seinem Befinden, erhielten allerdings meist nur ein knappes »Ist okay, geht schon« zur Antwort. Kyu-Min versuchte oft, ihn zum Lachen zu bringen, und gewann günstigenfalls ein gequältes Lächeln. Julian erwartete jeden Moment eine Flut von Tränen, Florians Augen jedoch blieben trocken. Vergebens hoffte er auf ein Zeichen schmerzlicher Wut oder sonst eine Regung, die ihm gezeigt hätte: Der alte Flo war noch am Leben. Tatsächlich aber beschlich ihn zuweilen der erschreckende Gedanke, sein Kumpel könne gemeinsam mit seiner Freundin gestorben sein. Wenngleich nicht körperlich, so doch in anderer Hinsicht. |
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