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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Neobooks für die Bereitstellung dieser Leseprobe! Bei dem Buch handelt es sich um einen der Neobooks-Monatsfavoriten des Oktober 2017. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Im Sitzungssaal herrschte arbeitsame Unruhe. Die Delegierten waren inzwischen fast vollzählig anwesend, eine große, bunt gemischte Gruppe der Politiker Sakayas. Als das Signal zur Eröffnung ertönte, blieb ihnen nur noch wenig Zeit, Platz zu nehmen. Der große, dürre Ratsvorsitzende aus Lendar stand beim zweiten Signal auf und trat ans Rednerpult. Er hatte viele Verhandlungen eröffnet und auch geschlossen. Aber dies war das umfangreichste Vorhaben, das der Staatenrat je angestrebt hatte – eine Chance für Millionen Sakayaner. Wie weit würden die Verhandlungen kommen? Die Delegierten hatten inzwischen ihre Plätze gefunden. Der Ratsvorsitzende wartete, bis es leiser war, und schließlich erhob er seine Stimme, der 350 Übersetzer und alle Politiker folgten. „Sehr geehrte Volksvertreter und Repräsentanten des Sakayarates. Dies ist die Sitzung 82 des Jahres 418. Wir beraten heute die Initiative 2476 zur Grundversorgung aller Bürger Sakayas, das sogenannte Weltgrundgesetz. Die Sitzung ist eröffnet.“ Wieder ertönte ein akustisches Signal, und die Blicke richteten sich erneut auf den Vorsitzenden. „Sie und Ihre Regierungen haben den Gesetzentwurf und die vorgeschlagene Rahmenverfassung bereits innerhalb der satzungsüblichen Informationszeit erhalten. Wir beginnen nun die Diskussion. Ich rufe den ersten Redner: Erit Narados aus Ternason.“ Der kleinere bärtige Regierungschef saß ruhig hinter dem Pult, das für sein Land vorgesehen war. Er tippte etwas in ein kleineres elektronisches Gerät ein, bis an seinem Mikrofon ein grünes Leuchten zu sehen war. Dann legte er es aus der Hand und fing an. „Liebe Kollegen. Ich freue mich, diese Verhandlungen beginnen zu dürfen. Wie Sie wissen, gab es unter meiner Führung und bereits davor in unserem Land eine erfolgreiche Tradition des Sozialstaates. Und diese ist hier gefordert! Täglich sterben auf Sakaya Menschen an Unterversorgung, nur weil sie das Schicksal hatten, am falschen Ort geboren zu sein. Täglich fliehen Tausende aus ihrer Heimat in wohlhabendere Regionen. Dies stellt die betroffenen Regierungen vor echte Herausforderungen. Viel Geld wird darauf verwendet, Flüchtlinge vom Überschreiten der Grenzen abzuhalten oder, sollten sie eine legale Aufenthaltserlaubnis in einem der wohlhabenderen Staaten erlangen, dort zu versorgen. Aber wir können das Problem an der Wurzel angehen. Wir können das Leid verhindern.“ Er sah auf und blickte in das Licht der Fernsehkameras. „Neue Berechnungen haben ergeben, dass unsere Welt genug Güter herstellen kann, um alle gut zu versorgen, auch auf umweltverträgliche Weise. Der finanzielle Aufwand für die vorgeschlagene Grundversorgung ist von der Region abhängig, in der die Armen wohnen. Nochmal: Es geht nur um eine Grundversorgung. Allein die Verteilung ist das Problem. Nicht, weil sie nicht machbar wäre. Sondern, weil sie nicht gemacht wird. Wir stehen in der humanistischen Verantwortung, Leid zu verhindern, wie wir es können. Der unterbreitete Vorschlag, die Versorgung aller Sakayaner sicherzustellen, ist zu schaffen. Und er verhindert Probleme des Zuzugs. Es muss ein Recht auf Nahrung und Medikamente geben. Auf dem Land, in den jetzigen Slums und auf den Straßen. Dieses Recht muss einklagbar sein. Für alle, auch für alle Verurteilten.“ Er machte eine kleine Pause, in der die Politiker Notizen machten. Einige riefen in ihrer Sprache unübersetzt herein. Erit sah auf. „Dazu wird eine Rahmenverfassung vorgeschlagen, die die Einklagbarkeit dieser Versorgung garantiert. Und wir sagen: Ja!“ Der Protest einiger Delegierter wurde lauter. „Die Gewährung dieses Rechtes muss finanziert werden, durch eine Bruttoinlandsproduktsteuer, in der jedes Land in Abhängigkeit zahlt, wie viel es hat. Und wir sagen: Ja!“ Überrascht von der Klarheit der Rede kam Bewegung in die Delegierten. Einige riefen erbost dazwischen. Kommentare und Diskussionen entstanden. Erit umfasste die Seiten seines Pultes und fuhr fort. „Wir glauben, dass sich das Gute für uns Sakayaner regeln lässt. Wenn wir es nicht tun, wird es weiter Leid geben. Bekämpfen wir das Problem dort, wo es entsteht! Wir können das Leben von Millionen Sakayanern langfristig retten. Unser Staat steht dahinter.“ Erit blickte in die Menge der Delegierten und bestätigte das Ende seiner Rede auf einem Sensorkontakt. Die Politiker waren durch diese erste Rede aufgewühlt und berührt, der Schallpegel im Tagungssaal stieg. Als eine kleine Weile vergangen war, rief die Stimme des Ratsvorsitzenden aus Lendar zur Ruhe. „Ich rufe den nächsten Redner: Sog Dere aus Sinula.“ Der große, athletische Präsident Sinulas wartete auf das grüne Licht. Er kratzte sich an seiner türkisen Glatze, bis ihm die Freigabe erteilt wurde. Schließlich beugte er sich zum Mikrofon vor. „Geehrte Kollegen! Mein Vorredner hat die Besonderheit eines Sozialstaates betont. Ich aber sage: Unser Staat ist nicht groß geworden durch seine Umverteilung, er ist groß geworden aus dem Antrieb seiner Gründer heraus, zunächst einmal ihre eigene Lebensgrundlage zu verbessern. Jeder hat seine eigenen Probleme, und um die muss er sich kümmern. Das ist ein Lebensprinzip! Unsere Vorfahren kämpften sich durch eine widerspenstige Natur und sorgten erfolgreich für ihre Nachkommen. Für wen sonst? Das war ihre Aufgabe, und es ist unsere. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, das kann nicht ersetzt werden.“ Er warf einen kurzen Blick in den Saal. „Die zusätzliche Belastung der Staatshaushalte hätte unkalkulierbare finanzielle Konsequenzen für die Länder. Und ich sehe eine Vereinheitlichung der Staaten durch die vorgeschlagene Rahmenverfassung. Daher ist es besser, wenn wir auf unserer Identität bestehen, wenn wir als individuell gewachsene Völker so bleiben, wie wir sind, und unsere guten, lange gewachsenen Gesetze beibehalten. Das spricht ganz klar gegen die Etablierung eines Weltgrundgesetzes.“ |
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