Wir saßen beim Abendessen, als mein Telefon die Stille durchbrach. Ich war peinlich berührt, schließlich hatte ich den Jungs untersagt, beim Essen mit ihren Handys, die ich ihnen vorhin besorgt hatte, zu spielen. Schnell stand ich auf und ging auf die Lanai. Eine mir nicht bekannte Nummer leuchtete auf dem Display auf. „Ja?“ „Lynn, hier ist Lailani. Er ist aufgewacht.“ „Was?“, schrie ich und taumelte. Ich musste mich am Geländer festhalten, so sehr zog mir diese Nachricht den Boden unter den Füßen weg. „Er schläft jetzt wieder, aber er war vorhin kurz wach. Ich war dabei“, setzte sie hinzu, als ob ich diese unglaubliche Nachricht angezweifelt hätte. Inzwischen stand die ganze Truppe vom Abendessen an der Tür und sah mich erwartungsvoll an. „Ich ...“, versuchte ich zu sagen, doch dann glitt mir das Telefon aus der Hand und knallte auf den Boden. Dort landete ich auch, denn meine Beine trugen mich mit einem Mal nicht mehr. „Lynette? Was ist passiert?“ Mom kniete sich neben mich und nahm ängstlich das Telefon an sich. Da ich nicht antworten konnte, versuchte sie es mit meinem Gesprächspartner. „Hallo, hier ist die Mutter von Lynette. Ihre Nachricht, was immer es auch war, hat ihr den Boden unter ihren Füßen weggezogen.“ Sie lauschte einen Augenblick, dann erhellte sich ihre Miene. „Das ist ja wunderbar. Ja ...“, sie nickte mehrfach mit dem Kopf. „Vielen Dank, Schwester Lailani. Wenn Lynn wieder ansprechbar ist, wird sie sich noch mal bei Ihnen melden.“ Sie lauschte weiter in das Telefon. „Ja, ich werde es ihr ausrichten, vielen Dank.“ „Was gibt es, Maggie?“, fragte jetzt Mr. Barnes. „Das war eine Schwester aus dem Krankenhaus. Anscheinend ist Cody aus dem Koma erwacht.“ Kaum hatte sie das gesagt, fingen die vier Jungs und Mary an zu jubeln. In dem Augenblick betrat Cleo die Lanai und fragte trocken: „Hab ich was verpasst?“ Während sie von Steve, Chin, Brian und Keanu aufgeklärt wurde, versuchte ich noch immer zu begreifen, dass das alles kein Traum war, sondern dass Cody wirklich zu uns zurückgekehrt war. „Ich muss zu ihm“, sagte ich und versuchte mich aufzurappeln. „Nein“, kam es von Mom und Mr. Barnes im Chor. „Schätzchen, ich habe mit dieser Schwester gesprochen und sie sagte, dass es jetzt keinen Sinn habe. Cody muss schlafen, denn er muss sich erholen. Du sollst morgen früh, so wie immer, ins Krankenhaus kommen. Der behandelnde Arzt möchte dich dann vor deinem Besuch sprechen.“ „Aber ich kann doch jetzt nicht einfach ...“ „Doch.“ Mary kniete sich ebenfalls zu mir herunter und strich mir über meine tränenüberströmte Wange. Wann hatte ich zu weinen angefangen? „Die lassen dich doch jetzt gar nicht zu ihm. Ruh dich aus, damit du morgen für ihn stark sein kannst.“ Und dann kamen meine kleinen Männer zu mir und nahmen mich in den Arm. „Das ist doch toll, Lynn.“ „Ich freue mich so für euch.“ „Ich habe es immer gewusst!“ Das war Brians Stimme, wie ich mit einem Lächeln feststellte. „Vielleicht hat Cody ja heute gemerkt, wie sehr wir ihn brauchen?“ Steve flüsterte mir diese Worte ganz leise in mein Ohr. Da saß ich nun, auf dem Boden der Lanai, umringt von meinen Lieben, von meiner Familie. Ein unglaublich warmes Gefühl durchflutete mich und ich fing schon wieder an zu heulen. Spät in der Nacht saß ich mit Cleo am Strand. Sie hatte ihren Arm um meine Schulter gelegt und ich kuschelte mich an sie. Schweigend starrten wir schon seit einer ganzen Weile aufs Meer. Der Mond tauchte den Strand und das Wasser in ein silbernes Glitzern. Ab und an wurde die schillernde Oberfläche durch eine Schildkröte durchbrochen, die vorwitzig ihren Kopf aus dem Meer herausstreckte. „Du weißt schon, dass man noch nicht weiß, wie Cody das alles überstanden hat?“, fragte sie vorsichtig. „Ja.“ „Soll ich morgen mitkommen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Sei mir bitte nicht böse, aber ...“ „Nein. Vollkommen klar. Aber Mr. Barnes nimmst du mit?“ „Ja. Das fühlt sich für mich irgendwie richtig an.“ „Ist es ja auch. Schließlich hat er dich jetzt fast jeden Tag begleitet. Also wenn ich nicht selbst einen ganz tollen Vater hätte, dann würde ich mir so jemanden wie ihn wünschen.“ „Geht mir genauso. Bloß, dass ich nie einen richtigen Dad gehabt habe. Er ist echt klasse. Schon wie er uns damals mit dem Haus und diesem unsäglichen Peter geholfen hat, das war einfach der Hammer. Weißt du, als er mein Nachbar war, habe ich ihn nie so richtig wahrgenommen. Erst als ich ausgezogen bin und mich von Mike getrennt habe, ist er wirklich in mein Leben getreten.“ Ich konnte mich kaum mehr an diese Zeit zurückerinnern. Es war schon so lange her. Inzwischen war mir schleierhaft, wie ich mich je auf einen Typen wie Mike hatte einlassen können. Ein schleimiger, arroganter Arzt, der sich völlig in sich selbst sonnte. Seltsam, dass ich das jemals als das Nonplusultra einer Beziehung angesehen hatte. Mit Cody war es von Anfang an anders gewesen. Die Schmetterlinge in meinem Bauch hatten Purzelbäume geschlagen. Und unsere Beziehung war von vornherein auf Augenhöhe gewesen. Eine Sternschnuppe blitzte am Himmel auf und verlor sich in der Unendlichkeit. „Hast du das gesehen?“ „Ja.“ „Dann hast du einen Wunsch frei.“ „Ich wünsche mir ..., nein, das sage ich dir jetzt nicht. Schließlich soll der Wunsch in Erfüllung gehen und dann darf man ihn nicht aussprechen.“ Ich lehnte mich wieder an meine Freundin und gemeinsam starrten wir in den Nachthimmel. Wir wurden in den nächsten Minuten noch mehrfach mit weiteren funkelnden Sternschnuppen, die über den Himmel zischten, belohnt. „Mann, Mann, Mann. So viel Wünsche fallen mir gar nicht ein“, bemerkte Cleo irgendwann kichernd. „Komm, lass uns reingehen.“ |