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Ohrfeige
Verfasser: Abbas Khider (7)
Verlag: btb (692) und Hanser (738)
VÖ: 1. Februar 2016
Genre: Gegenwartsliteratur (4387)
Seiten: 224
Themen: Bayern (566), Bürokratie (15), Flucht (2352), Flüchtlinge (243), Irak (50), Wut (176)
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Lesermeinungen (1)     Leserkanonen-Rezension
OFFIZIELLE LESERKANONEN-REZENSION

Rezension zu »Ohrfeige«


von Daniela Peine (05.04.2016)


Angesichts der Tatsache, dass das Thema »Flüchtlinge« in den Medien seit anderthalb Jahren so präsent ist, dass nicht wenigen Lesern, Hörern und Zuschauern inzwischen die Ohren bluten dürften, wenn es wieder einmal darum geht, ist es kein Wunder, dass auch verstärkt Bücher erscheinen, die sich mit der Problematik befassen. Eines davon, nämlich das bis in die Spiegel-Bestsellerliste vorgedrungene Buch »Ohrfeige« des deutsch-irakischen Schriftstellers Abbas Khider, haben wir uns einmal näher angesehen.

Während die meisten Autoren auf ihren Webseiten lediglich von dem kleinen Tier- und Kinderpark berichten können, mit dem sie irgendwo in der deutschen Provinz hausen, ist Khider ein Mann, der tatsächlich eine ereignisreiche Biografie vorweisen kann. Der 1973 in Bagdad geborene Schriftsteller wurde einst als Gegner des Regimes von Saddam Hussein wiederholt verhaftet, wurde im irakischen Gefängnis gefoltert, flüchtete über Länder wie Jordanien und Lybien und fand schließlich im Jahre 2000 in Deutschland Asyl. Hier studierte er später Literatur und Philosophie, und 2007 erlangte er die deutsche Staatsbürgerschaft. »Ohrfeige« ist der vierte Roman aus seiner Feder. Das etwas mehr als 200 Seiten starke Buch erschien Anfang Februar im Hanser Verlag, kostet als gebundene Version 19,90 Euro und als E-Book 15,99 Euro. Darüber hinaus gibt es eine Hörspiel-Version.

»Ohrfeige« schildert die fiktive Irrfahrt des Irakers Karim Mensy, der aus dem Irak flüchtet, da er an Gynäkomastie leidet, was bedeutet, dass ihm Brüste von weiblicher Größe gewachsen sind. Angesichts des anstehenden Militärdienstes im Irak hätte dies ein Leben mit tagtäglicher Diskriminierung (oder Schlimmeres) bedeutet. Mit Hilfe von Schleppern begibt sich Mensy deshalb auf den Weg nach Westen, wo er sich in Paris ein erbaulicheres Leben und langfristig obendrein eine Operation seiner Oberweite erhofft. Statt in Frankreich landet Mensy jedoch in Bayern, wird fortan hin- und hergeschoben und bekommt Stein um Stein in den Weg gelegt, was verhindert, dass er in seiner neuen Heimat richtig heimisch werden kann. Als sein Antrag auf Asyl nach drei Jahren und vier Monaten endgültig abgelehnt wird und er sich deshalb dazu durchringt, mit Hilfe eines Schleppers nach Finnland weiterzuziehen, zwingt er seine Sachberaterin in der Ausländerbehörde, sich die Geschichte seiner Zeit in Deutschland anzuhören. Und gemeinsam mit ihr hört auch die Leserschaft zu.

Unvorbereitet wie ich war, ging ich zunächst davon aus, dass es sich um ein Buch handeln würde, das in der Jetztzeit spielt und damit die aktuelle Asylproblematik aufgreift. Stattdessen behandelt Khider in seinem Buch den Zeitraum von 2000 bis 2003, also in etwa die Jahre, in denen er selbst gerade in Deutschland angekommen war. Was bedeutet, dass Mensy in seinem Buch mit einschneidenden zeitgeschichtlichen Ereignissen konfrontiert wird, etwa der Einführung des Euro, welche für Leute wie ihn einen besonders harten finanziellen Einschnitt bedeutete, vor allem aber auch den Anschlag des 11. September 2001, der die Situation der Asylbewerber grundlegend verschlechterte und nicht nur für unzählige neue Ressentiments gegenüber arabischstämmigen Migranten sorgte, sondern auch dafür, dass Asylanträge weitaus schleppender bearbeitet wurden und von allen Seiten Verdächtigungen ausgesprochen wurden. Tatsächlich wirkt es geradezu grotesk, wie Mensy nach den Ereignissen verhört wird. Ohne es selbst verifizieren zu können, dürfte jedoch das eigentlich Schlimme daran sein, dass die vermeintliche Groteske vielen Migranten zu dieser Zeit so oder ähnlich tatsächlich widerfahren sein dürfte.

Dabei ist die Absurdität nur eine von vielen. In (sehr) einfacher Sprache und mit einem immer wiederkehrenden Augenzwinkern berichtet Khider von unzähligen Unwegsamkeiten, denen Mensy ausgesetzt wird, was sich nicht ausschließlich auf die bürokratische Ebene beschränkt, denn die anderen Asylsuchenden bekommen von Mensy genauso ihr Fett weg wie die Mitmenschen in seiner Heimat, die beispielsweise ihre Mädchen in den Iran verkauften, wo sie für »Genuss-Ehen« bereitstehen mussten, was bedeutet, dass die armen jungen Frauen für ein paar Minuten einem »Ehemann« zur Verfügung gestellt werden, damit dieser seinen Hormonspiegel abbauen kann, obwohl die geschriebene Offenbarung Gottes eigentlich eine ganz andere Praxis vorsieht. Auch hier gilt: Verifizieren kann ich es nicht, aber ich nehme stark an, dass all das den Tatsachen entspricht.

So ist denn »Ohrfeige« genau das, was der Name des Buches bereits vermittelt: Der Rundumschlag eines Mannes, der wirklich ehrbare und gute Vorsätze hatte, als er seinen Schlepper bezahlte, dem jedoch von außen alles kaputtgemacht wurde, das er sich erhofft hatte. Das Buch ist eine Schmähschrift, die vermutlich Millionen Menschen, denen es zumindest ähnlich geht oder ging wie Mensy, genau so aus sich herausschreien wollen würden. Sicherlich ist hie und da alles ein wenig überspitzt, doch was zählt, ist dass Khider all diesen Leuten eine Stimme gibt. Und allen anderen gewährt er einen Einblick in eine Welt inmitten unserer Gesellschaft, die trotz ihrer tagtäglichen Präsenz viel ferner ist, als man womöglich denkt. Also, lest dieses hochgradig empfehlenswerte Buch, und falls ihr mal wieder einem der Hanseln begegnet, die darüber klagen, wie gut es Migranten doch in Deutschland hätten, und wie viel besser es diesen doch angeblich im Vergleich zu den leidgeplagten Eingeborenen ginge, dann gebt ihnen ein Stück von Abbas Khiders Ohrfeige mit auf den Weg. Oder eine richtige, das schadet auch nicht, sofern es ein paar Augen öffnet.
– geschrieben am 5. April 2016
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