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Kommentar vom 6. März 2016 um 19:53 Uhr: |
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Diese Autobiographie handelt nicht nur über den Holocaust, sondern erzählt Shlomo Grabers ganzes Leben: Von seiner Kindheit in der Obhut des gläubigen und gütigen Großvaters, seiner Jugend, den Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg sowie der Zeit nach dem Holocaust - der Hachschara (der Vorbereitung auf die Übersiedlung nach Palästina), seiner Zeit beim israelischen Militär bis in die Gegenwart, in der der Autor mittlerweile als Künstler seine Erlebnisse auf Bildern verarbeitet.
Das Buch ist aus Sicht des Autors geschrieben, und bis auf ein kurzes Vor- und Nachwort kommt hier Shlomo Graber ganz ungefiltert selbst zu Wort. Neben seinen persönlichen Erinnerungen erläutert er auch meist noch kurz die politischen und geschichtlichen Hintergründe der jeweiligen Zeit, was ich sehr praktisch und hilfreich fand, da ich nicht immer die historischen Zusammenhänge im Kopf hatte.
Der Schreibstil ist lebendig, und man merkt einfach, dass der Autor ein lebensfroher, humorvoller Mensch ist. Viele Erlebnisse werden mit einem Augenzwinkern erzählt, und manche Begebenheiten - vor allem jene, in denen attraktive Frauen vorkommen - schienen mir durch die Augen des Autors im Rückblick etwas verklärt wiedergegeben, aber dies tut er mit solch einem Charme, dass ich einfach schmunzeln musste.
Es scheint deshalb manchmal schwer vorstellbar, dass dieser Mensch solch grausame Dinge erlebt haben soll. Selbst in den Kapiteln über den Holocaust verfällt er nicht in Jammern und Wehklagen, wirkt nicht verbittert.
Die Zeit im KZ wird sehr eindrücklich geschildert und wirkte auf mich äußerst beklemmend, auch wenn Graber versucht, den Leser zu schonen und allzu grausame Details auszusparen. Mehr als einmal entkam er nur knapp dem Tod, teils aus eigener Kraft, teils aus purem Zufall. Und auch er kam, wie so viele KZ-Insassen, an den Punkt, an dem er einfach sterben und von seinem Leiden erlöst werden wollte. Doch das Schicksal hatte eben andere Pläne mit ihm.
Ich habe schon viele Berichte von Holocaust-Überlebenden gelesen, aber oft enden diese mit der Befreiung. Deshalb fand ich das Kapitel über die Zeit direkt nach der Befreiung fast noch spannender als die Erlebnisse in den KZs selbst. Wie der Autor selbst bemerkt, musste damals das Leben einfach irgendwie weitergehen. Es wird erzählt, wie die befreiten Juden in die von den meisten Einwohnern verlassene Stadt Görlitz zogen und dort für einige Zeit die Häuser der Deutschen sowie deren Habseligkeiten in Beschlag nahmen, bevor sie in ihre Heimatländer zurückkehrten. Er leugnet nicht, dass auch bei den Opfern der Nazis der Überlebenswille und der Wunsch nach Vergeltung oft dazu führte, dass Mitgefühl und Menschlichkeit abgetötet wurden, die Opfer zu Tätern wurden.
Shlomo Grabers Biographie ist ein weiteres wichtiges Zeitzeugnis über den Holocaust. An dieser Stelle möchte ich meine Rezension mit den folgenden Worten des Autors beschließen, die mich tief beeindruckt haben:
"Dennoch ist es mir wichtig, an dieser Stelle anzumerken, dass ich keinen Groll gegen die Deutschen hege, zumal die nachfolgenden Generationen nichts mehr mit den Nazis der damaligen Zeit gemein haben. Ich verabscheue bis zum heutigen Tag jede Art von Gewalt - gegen wen auch immer! Ich bin mein ganzes langes Leben lang für ein friedliches Auskommen der Menschen eingetreten - egal welcher Konfession, Hautfarbe, Rasse oder Nationalität diese angehören mögen. Und ich werde für diese meine Ideale einstehen - bis zu meinem letzten Atemzug!"« |
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Kommentar vom 29. Februar 2016 um 8:38 Uhr (Schulnote 2): |
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Shlomo Graber, geboren 1926, überlebte drei Konzentrationslager, zwei Deportationen und den berüchtigten Görlitzer Todesmarsch. Beinahe seine gesamte Familie wurde ausgelöscht, und trotz Allem hat er sich seinen Glauben an das Gute nicht nehmen lassen. Wir begleiten Shlomo auf seinem Lebensweg, der nicht nur den Holocaust als alleinigen Inhalt hat. Wir erleben, wie er in seiner Kindheit aufgewachsen ist, bevor die Nazis an die Macht kamen und ihm die Gewalt antaten, die viele Andere zerbrechen lassen würde. Doch trotz der Geschehnisse, die er auf beinahe wundersame Weise überlebt hat, bleibt keine Verbitterung zurück. Vielmehr richtet der Autor auf seinem weiteren Lebensweg meistens den Blick nach vorne, und zeigt dem Leser sein erwachsenes Weltbild auf, welches sich auch auf die aktuellen Geschehnisse bezieht und durchaus als weise zu bezeichnen ist. Der Schreibstil ist recht flüssig, bisweilen etwas holprig, so daß man meint, den Autoren nicht zu lesen sondern auch zu hören und ihm direkt gegenüber zu sitzen. Die schrecklichen Geschehnisse wirken manchmal etwas distanziert und unemotional. Dieses mindert aber das Grauen, das einen erfasst, in keiner Weise, sondern verstärkt sie vielmehr noch. Beim Lesen dieses Lebensabschnittes merkt man, daß es immer noch ein Unterschied ist, ob der Holocaust im Schulunterricht oder Dokumentarsendungen vermittelt wird, oder ob man es aus der Feder eines Überlebenden liest. Auch auf seinem Weg durch das weitere Leben nimmt er den Leser mit, und trotz weiterer Schicksalsschläge hat er sein Glück und seine Zufriedenheit gefunden.
Alles in Allem ein gutes und wichtiges Buch eines beeindruckenden Mannes wider das Vergessen, aus welchem man auch noch weitere Lehren ziehen kann, ohne daß hier mit dem moralischen Zeigefinger gewedelt wird – ein Buch, welches man sich durchaus auch für den Schulunterricht vorstellen kann.« |
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