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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei JD Alexander für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu JD Alexander gibt es auf seiner Autorenseite, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Ihm war, als würden die Wände jeden Moment über ihm zusammenbrechen. Und noch dazu herrschte hier drinnen eine unheimliche, fast bedrohliche Stille. Abgesehen von ihnen war kein Mensch im Aufnahmebereich der Onkologie zu sehen. Es wurde noch schlimmer, als er einen Blick hinaus, durch die dicke Glasfront der Station, warf. Denn dort war das genaue Gegenteil der Fall. Menschen mit Mundschutz und Gummihandschuhen hasteten hektisch über das Gelände. Manche telefonierten, andere trugen graue und gelbe Plastikkisten, wieder andere schleppten Absperrgitter vorbei. Da waren Krankenschwestern und -pfleger, Hausangestellte und Ärztinnen, Sanitäter und verängstigte Patienten. Da waren jede Menge Polizisten. Die Menschen schrien sich nervös an. In den letzten Tagen waren die Nachrichten voll davon gewesen, dass ein neues aggressives Noro-Virus die Gesundheitssysteme in ganz Europa herausforderte. Aber die Zustände dort draußen wirkten, als würde man sich nicht auf eine spätwinterliche Infektionswelle, sondern vielmehr auf einen Flugzeugabsturz oder einen Bombenanschlag vorbereiten. Es war zu viel, zu groß, zu … Sam wurde von vorbeiflirrendem Blaulicht eines Rettungswagens geblendet, als er nach einem der Sessel im Wartebereich der Station griff und sich benommen setzte. Im Hintergrund hörte er noch immer Mariasha unablässig auf den armen Mann am Empfang einreden. Sie ließ nicht locker, hatte sich verbissen wie ein Terrier, lud all ihren aufgestauten Frust auf den Kerl ab. Und dann die Nachrichten, das Blaulicht, der Geruch von Desinfektionsmittel, das Quietschen des Bodens, die Erinnerung an seine Untersuchungen, das Heulen seines Sohnes, die Textnachrichten der Bekannten, die Blicke seiner Arbeitskollegen. Der Raum begann, sich zu drehen. Vor ihm breitete sich die Vorstellung aus, an Krebs zu sterben, die Vorstellung, von Metastasen aufgefressen zu werden, weil er nicht behandelt wurde. Die Vorstellung des nahenden Endes, nein, die Gewissheit davon, lähmte ihn. Er würde seine Kinder nie aufwachsen sehen, würde nie wieder mit Tom Fußball spielen oder mit Laila über ihre Bücher reden. Würde nie sehen, wie Max heranwuchs. Die plötzliche Angst vor dem Tod ätzte sich in sein Hirn wie Batteriesäure. Und dazwischen Mariashas zornige Tiraden, die durch die Luft hallten. »Hör auf!«, schrie er laut, beugte sich im Sitzen vornüber und drückte sich die Handballen gegen die Stirn. »Bitte!« Stille. Er schloss die Augen und rieb sich mit zitternden Fingern die Schläfen. Seine Nerven lagen blank. »Schatz? Schatz?«, hörte er seine Frau dann. »Ist alles in Ordnung?« Sie kam zu ihm. Er schaute sie einen Moment lang an, ohne den Kopf zu drehen. Ihm war speiübel, sein Blick verschwamm. Bis jetzt hatte er es mit wenigen Ausnahmen geschafft, sich zusammenzunehmen. In den letzten Tagen hatte er all den Ärger, all den Zorn, all die Trauer und vor allem diese nagende Angst nicht an die Oberfläche kommen lassen. Er hatte es sich einfach nicht erlaubt, aus der Haut zu fahren. Mariashas Anspannung und Angst und ihre Sorgen lagen wie elektrische Spannung in der Luft. Er konnte ihren Kummer seit dem Tag seiner Diagnose förmlich knistern hören. Er ertrug es nicht mehr. Brennende Panik hatte sich wie eine Drahtschlinge um sein Herz geschnürt und quetschte es zusammen. Tränen tropften ihm aus den Augen. »Sie nehmen dich auf«, sagte sie leise. »Er sagt, wir müssen warten, aber du wirst aufgenommen.« Sam schluchzte, sog stockend Luft ein. »O Gott«, wimmerte er. Sie setzte sich zu ihm, streichelte ihm den kalten, schweißnassen Nacken. Er atmete durch, öffnete die Augen, wischte sich die Tränen weg und versuchte, seiner Frau einen dankbaren Blick zu schenken. Ihre Erwiderung, eine Mischung aus Hilflosigkeit und Schuld, schmerzte ihn. »Okay«, flüsterte er und atmete durch den Mund. »Okay.« Ablenkung, dachte er. Was er jetzt brauchte, war Ablenkung. Und zwar schnell, wenn er nicht völlig zusammenbrechen wollte. Also schaute er an ihr vorbei, durch die Glasfront hinaus. »Findest … Findest du das Ganze dort draußen nicht auch ein wenig übertrieben?«, fragte er mit belegter Stimme. Die Hektik im Freien schien zuzunehmen. Sie verstand nicht sofort, drehte sich kurz um. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Es ist wirklich … ich weiß nicht, Sam.« »Was schreiben sie?« Er beschäftigte sich kaum mit den Nachrichten, das war Mariashas Metier. Und in den letzten Tagen hatte er sich auch ganz aus Social Media zurückgezogen. Hatte sich mit Filmen und Serien abgelenkt, wenn er nicht still heulend neben dem Bett gekauert oder mit den Kindern Zeit verbracht hatte. »Ich habe nicht viel mitbekommen«, gab sie auffällig rasch zurück, zog ihr Telefon aus der Tasche und wischte darauf herum. Doch sie rief keine App auf und wenn, dann nur für den Bruchteil von Sekunden. Sie checkte keine Mails, öffnete nicht ihren Twitter-Account. Sie wischte bloß hin und her. »Mariasha?«, fragte Sam argwöhnisch. Widerstrebend schaute sie auf. »Du liest selbst im Urlaub täglich Zeitung.« Sie antwortete nicht. »Was schreiben sie?«, wiederholte er. Seine Frau räusperte sich, sah zurück zum Ausgang, zum Empfang, dann in die Luft, ehe sie schließlich seufzte. »Ehrlich gesagt, es klingt nicht so gut.« »Was soll das heißen?« »Soll heißen, dass … Ich weiß es nicht. Es wirkt fast so, als würde etwas zurückgehalten. Es wird über dieses Virus berichtet, aber irgendwie … Es passt nicht mit dem zusammen, was hier vor sich geht. Sie sprechen zwar von einem extremen Anstieg von Infektionen, von einer riesigen Belastungsprobe des Gesundheitssystems. Aber … Es passt irgendwie nicht.« »Wie meinst du das?« Sie schaute noch einmal zurück zu der Hektik, die dort draußen herrschte. Zu den Containern und Zelten, die man auf Freiflächen aufstellte, zu den Fahrzeugen. »Ich habe noch von niemandem gehört, der es hat. Und selbst wenn … Ich meine … Es ist irgendwie so … unwirklich. Und auch was in den Zeitungen steht, so dramatisch klingt das nicht, wie die hier alle tun. Ich meine, die tragen draußen Mundschutz.« |
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