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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Annie Waye für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Annie Waye gibt es auf ihrer Autorenseite, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Ich hatte ihn unter der Woche kaum zu Gesicht bekommen. Im Gegensatz zu mir studierte er nicht an einer staatlichen Universität, sondern an einer privaten Schickimicki-Hochschule, an der man sich seinen Abschluss wahrscheinlich erkaufen konnte. An den Wochenenden hatten wir uns gesehen – in seiner Wohnung oder im Haus seines Bruders. Verborgen vor dem Rest der Welt. Nie hatten wir uns in die Öffentlichkeit begeben. Und je länger ich darüber nachdachte, desto fester war ich davon überzeugt, dass auch dieser Urlaub eine Farce gewesen war. Er hatte mir die Reiseunterlagen mit vielversprechenden Sommer-Emojis geschickt und ganz nebenbei einen Plan geschmiedet, wie er den Urlaub im letzten Moment ins Wasser fallen lassen könnte. Denn sich der Welt an meiner Seite zu präsentieren, war schlichtweg nichts, was ein Hadrian tun würde. Schon gar nicht er. Ich hätte es besser wissen müssen, doch so hatte ich es auf die harte Tour gelernt. Es war besser so. Ich hatte ihn überall blockiert, und er könnte mich nie wieder kontaktieren. Nicht, dass es einen Grund gäbe, warum er das wollen könnte. Unsere Beziehung hatte geendet, noch bevor sie begonnen hatte – so schnell, dass sich ein Teil von mir weigerte, sie so zu nennen. Es war ein Ausrutscher gewesen. Für ihn. Für mich. Nur, dass ich viel härter gefallen war als er. Ich ließ mich auf meinem Gangplatz nieder und schob meine wuchtige Handgepäcktasche unter den Vordersitz. Weil das Fünf-Sterne-Hotel, das ich gebucht hatte, so unverschämt teuer gewesen war, hatte ich beim Flug gespart und flog in der Holzklasse der billigsten Airline, die ich hatte finden können. Es war zwar ein Direktflug, aber trotzdem hatte ich großen Respekt vor dieser Reise. Denn nicht einmal die ach so sorgfältigste Sicherheitseinweisung würde mich retten können, wenn mich der Direktflug direkt ins Meer beförderte. Ich war noch nie in meinem Leben geflogen und wusste nicht, was mich erwartete. Falls ein Ort steril und schmuddelig zugleich aussehen konnte, perfektionierte dieser Flieger jene Kunst. Die Innenausstattung war hauptsächlich Weiß gehalten, mit Ausnahme der Versuche von Polstern an den Kopfstützen, die genau wie der Boden von einem stechenden Grün waren. Schon vom bloßen Anblick bekam ich Kopfschmerzen. Ich brauchte drei Anläufe, um mich anzuschnallen, nur um mich fünf Minuten später wieder losketten zu müssen, weil sich noch jemand in meine Reihe quetschen wollte. Obwohl wir nicht mal losgerollt waren, spürte ich schon einen seltsamen Druck auf den Ohren, gemischt mit einer brennenden Nervosität, die ein Lauffeuer in meiner Magengrube entfachte. Nachdem die Tür zum Flieger geschlossen wurde, startete die Sicherheitseinweisung, die ich schon fünfmal auf YouTube gesehen hatte, weil ich mir nicht sicher gewesen war, ob das als Grundwissen vorausgesetzt und den Passagieren nicht mehr mit auf den Weg gegeben wurde. Ich versuchte, ihr aufmerksam zu folgen, doch die beiden Sprachen, in denen die Anweisungen wiederholt wurden, waren Griechisch und Türkisch – und leider hatte ich keine davon perfektioniert. Kalin sprach einige Brocken Griechisch. S‘agapó bedeutete Ich liebe dich. Das wusste ich aber nicht, weil er es mir gesagt hatte, sondern weil ich es gegoogelt hatte in der Hoffnung, ihn eines Tages damit überraschen zu können. Die Chance würde ich jetzt nicht mehr bekommen. Ich wollte sie auch nicht. Das Brummen und Grollen der Flugzeugmotoren wurde lauter und lauter, und mein Magen krampfte sich zusammen, als wir schließlich losfuhren. Ich hatte mehrere Videos von Start- und Landeprozessen gesehen, aber die änderten nichts daran, dass meine Hände feucht wurden, bis ich sie in meinem Schoß verkrampfte. Dass mein Atem nur noch flach ging und mein Blick immer wieder nervös in Richtung Fenster zuckte. Dass mein Puls ins Unermessliche schoss und mir das Blut in den Ohren zu rauschen begann. Was hatte ich mir hier nur eingebrockt? Warum hatte ich meiner Mutter diese Idee nicht ausgeredet? Warum hatte ich nicht einfach Urlaub in einem Münchner Wellnesshotel machen können? Hätte das nicht gereicht? Nein. Hätte es nicht, und das wusste ich. Ich brauche das hier, bläute ich mir ein. Unbedingt. Ich brauchte es für mich. Weil ich keine Ahnung hatte, wie lange es her war, dass ich irgendetwas für mich getan hatte. Meine Schulzeit. Meine Noten. Mein Studium. Meine Nebenjobs. All das tat ich für meine Eltern. Meine Klamotten. Meine Frisur. Meine Figur. Mein Auftreten. All das hatte ich innerhalb kürzester Zeit an Kalin anpassen wollen, um mich seiner etwas mehr würdig zu fühlen. Aber wann hatte ich jemals etwas getan, einfach nur, weil ich es wollte? Weil es mir guttat? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Deshalb musste ich das ändern. Ich musste Erinnerungen schaffen, die nur mir gehörten. Die Pforte zu einem Ort in meinem Herzen öffnen, an den ich immer zurückkehren könnte, wenn mein Leben in einer Sackgasse zu enden drohte. Und ich war mir absolut sicher, dass Kreta dieser Ort war. Und zwar in einem Hadrian Hotel. Der Unterkunft, in die mich Kalin nie hatte mitnehmen wollen. Ich war des Familiendomizils nicht würdig gewesen. Aber ich war es. Das würde ich vor allem mir beweisen. Ich hätte jedes Urlaubsziel auf Erden aussuchen können. Doch es hatte Kreta sein müssen. Ganz in der Nähe eines Lebens, das ich nie hätte haben können – und an das ich keine Sekunde lang hätte glauben dürfen. Es war ein Zeichen. Ein Statement. Eine Liebesbotschaft an mich selbst. Du bist stärker als das, Sofia. Du bist die stärkste Frau auf Erden. Oder zumindest würde ich es werden. Dieser Gedanke war es, der mich zur Ruhe trieb, sogar dann noch, als sich die Rollen des Flugzeugs vom Boden lösten und mich in die höchsten Lüfte entließen. In die Freiheit. |
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