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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Ima Ahorn für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Ima Ahorn gibt es auf ihrer Autorenseite, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | KAPITEL 1
Darren keuchte vor Anstrengung. Als er das Torfmoor so weit hinter sich gelassen hatte, dass er hoffte, nicht sofort von den Schwärmen blutdürstiger Stechmücken aufgefressen zu werden, verlangsamte er sein Tempo. In flottem Wandertempo versuchte er, etwas zu Atem zu kommen, bis sich die Wiese nicht mehr wie ein Karussell um ihn herum drehte. Obwohl er mehrmals hinter sich blickte, konnte er keinen Verfolger entdecken. Erleichtert wurde Darren noch langsamer. Die Laufstrecke im Norden der Insel Mull führte hier über eine unebene Weide voll mit Mutterschafen, ihrem übermütigen Nachwuchs und Schafsköteln. Etwa hundert Meter weiter überquerte der Weg einen Bach, ehe er sich durch den Wald hinauf zum Glengorm Castle wand. Gut vier Meilen waren es noch von dem verspielten Landhaus mit seinen Erkern und Türmchen bis zurück nach Tobermory. Darren fluchte. Wieso hatte er sich nur dazu überreden lassen? „Na? Mal wieder auf der Flucht, Macdonald?“ Überrascht blieb Darren stehen und blickte sich um. Aber bis auf ein Schaf, das zwischen den Steinen eines halb verfallenen Steinkreises stand, konnte er niemanden entdecken. „Was glotzt du so?“, fragte das Schaf. Darren fuhr sich mit einer schwitzigen Hand über die Augen. Hatte er das wirklich gehört? Er öffnete den Mund, aber sofort hatte er mindestens ein Dutzend winziger Stechmücken im Rachen. Fluchend und mit den Armen wedelnd spuckte er die Insekten wieder aus. Er beeilte sich, mit ein paar raschen Schritten aus dem dichten Midgieschwarm herauszukommen. Er hätte es wissen müssen. Die kleinen Biester waren immer dann am aggressivsten, wenn das Wetter so war, wie jetzt: warm, windstill und leichter Nieselregen. Das Schaf lachte über ihn. Dann drehte es sich um und wanderte aus dem Steinkreis heraus, um sich eine neue Stelle zum Grasen zu suchen. „Offenbar bist du genauso dämlich, wie du aussiehst“, meinte die Stimme. Darren runzelte die Stirn. Das Schaf konnte das nicht gewesen sein, denn es wanderte mit einem Grasbüschel im Maul über die Wiese. Er betrachtete den verfallenen Steinkreis. Viel war nicht mehr davon übrig. Lediglich dreieinhalb Steine, an deren verwitterten Seiten sich Büschel von Schafwolle verfangen hatten. „Ist hier jemand?“, fragte er. Er lauschte. Aber außer dem fernen Rauschen des Meeres und dem Blöken der Mutterschafe war nichts zu hören. Kopfschüttelnd drehte sich Darren wieder zum Weg. Er war sicher längst der Letzte aus dem Starterfeld des Zehn-Meilen-Country-Run. Jetzt musste er sich nicht auch noch die Blamage antun, mit einer halben Stunde Verspätung nach den anderen ins Ziel zu kommen. „Sapperlot! Hast du mich etwa gehört?“, fragte die Stimme hinter ihm. Darren schnaufte genervt. „Natürlich höre ich dich. Aber ich habe grad keine Zeit für dumme Spielchen.“ Ohne sich umzudrehen, fiel er in einen langsamen Trab. Mehr als vier Meilen lagen noch vor ihm und schon jetzt taten ihm die Beine weh. Außerdem hatten ihn die anderen Läufer so weit hinter sich gelassen, dass er seit mindestens einer Meile keinen von ihnen mehr gesehen hatte. Nachdem er den Bach überquert hatte, drehte sich Darren doch noch einmal zum Steinkreis um. Er sah nur Schafe, Wiese und regennasse Felsbrocken. Dann glaubte er plötzlich, eine Gestalt zwischen den Steinen zu erkennen. Einen bärtigen Mann, der einen Kilt trug und sich mit einem Plaid über den Schultern gegen die Feuchtigkeit schützte. Als der Mann sah, dass Darren in seine Richtung blickte, hob er grüßend den Arm. Darren schüttelte frustriert den Kopf und machte sich an den Aufstieg, der ihn durch den Wald zum Glengorm Castle bringen würde. Zwanzig Minuten später hatte Darren das verspielte neugotische Herrenhaus längst hinter sich gelassen. Vor ihm erstreckten sich Torfmoore, raue, unebene Heidelandschaft und ein paar, von Büschen und Bäumen gesäumte, tief eingeschnittene Bachbetten. Der Streckenposten oben am Castle hatte ihm zugerufen, dass die anderen Läufer bereits vor einigen Minuten bei ihm vorbeigekommen waren. Noch immer lagen mehr als zwei Meilen vor ihm, bis er das Ziel auf dem Festgelände der Mull Highland Games erreichen würde. Wenigstens hatte es aufgehört zu nieseln. Die Wolken hingen weiterhin schwer und drohend über seinem Kopf, aber die Feuchtigkeit, die sein enges Laufshirt an seinen Körper klebte, war jetzt nur noch sein eigener Schweiß. Als er ein Gebüsch erreichte, hielt Darren an. Zwar war er dem Streckenposten dankbar für die zwei Becher mit Wasser, die dieser ihm in die Hand gedrückt hatte, aber das ständige Auf-Und-Ab auf der unebenen Strecke machte eine kurze Unterbrechung nun unabdingbar. Ein rascher Blick in die Umgebung zeigte Darren, dass er vollkommen allein war. Trotzdem ging er ein paar Meter tief ins Gestrüpp, ehe er seinen Kilt nach oben und seine Laufhose nach unten schob. Die Erleichterung, die Darren das Wasserlassen verschaffte, war nur von kurzer Dauer. Er hatte seine Hose noch nicht wieder an ihren Platz gezogen, als sein Blick auf ein wachsweißes Frauenbein fiel, das kaum drei Meter entfernt unter einem Busch hervorragte. Später war sich Darren selbst nicht mehr ganz sicher, woher er gewusst hatte, dass das nackte Bein einer Frau gehörte. Aber vielleicht war es einfach offensichtlich, da die Haut an der wohlgeformten Wade glattrasiert war. Die Zehennägel an dem zierlichen Fuß waren in einem leuchtenden Lila lackiert. Darren starrte das reglose Bein ein paar Sekunden lang schockiert an. Dann rückte er seinen Kilt zurecht und schob sich durch das Gebüsch, um auch den Rest der Frau ausfindig zu machen, die hier offenbar halb nackt und regungslos auf dem Boden lag. |
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