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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Annie Waye für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Annie Waye gibt es auf ihrer Autorenseite, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Ich konnte den Blick nicht von dem Mann mit der Löwenmähne reißen. Dieser fing sich endlich wieder, schritt zielstrebig auf einen der Rosensträuße zu, die unmittelbar neben der Tür aufgebaut waren, und streckte eine Hand danach aus. Aber nicht, um ihn an sich zu nehmen. Stattdessen ergriff er nur eine einzige, violette Rose und zog sie schwungvoll heraus. Ich riss die Augen auf. »Entschuldigung!« Kurzentschlossen joggte ich um den Tresen herum und ließ den anderen einfach stehen. »Die sind nicht für den Einzelverkauf gedacht!« »Oh!« Erst jetzt schien der Mann zu registrieren, dass ich existierte. Was nichts daran änderte, dass er mir nur einen kurzen Blick schenkte. »Ich kaufe sie auch nicht einzeln.« Sofort wurde ich langsamer, vielleicht auch etwas beruhigter, weil er weder betrunken noch betäubt klang. »Okay?« Ich ging fest davon aus, dass der Mann den restlichen Strauß nachträglich an sich nehmen würde – Fehlanzeige. Stattdessen zupfte er einfach zwei weitere Rosen heraus. Meine Schultern sackten herab. »So geht das aber nicht!« Wieder sah er sich mit demselben bestimmten, wenn auch suchenden Ausdruck in den Augen um, beschrieb dann eine Hundertachtziggraddrehung und machte sich daran, ein zweites, gemischtes Bouquet zu ruinieren. In dem Moment, in dem ich ihn erreichte, hatte er sich schon wieder abgewandt und stolzierte davon. Meine Schultern sackten herab. »Wenn Sie mir sagen, was Sie brauchen, kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen.« »Nein, danke«, wehrte er ab. »Ich komme klar.« Mein Mund öffnete sich zu einer Erwiderung, doch mir blieb die Spucke weg. Hilflos heftete ich mich an seine Fersen, hielt mich die ganze Zeit in seiner unmittelbaren Nähe, wusste aber gleichzeitig nicht, was ich tun sollte. Er war einen Kopf größer als ich, und ich könnte ihn sicher nicht mit roher Körpergewalt aufhalten. Nicht, dass ich das andernfalls in Erwägung gezogen hätte. Doch warum in aller Welt hörte er mir nicht zu? »Hey!«, bellte der blonde Kunde vom Tresen aus. »Benehmen Sie sich gefälligst!« Ich wollte erleichtert sein, dass mir jemand zu Hilfe kam, aber die Einmischung ließ mich nur noch angespannter werden. Nicht zuletzt, weil der Mann nicht reagierte. Vor einer kleinen Pyramide aus Wintersträußen zupfte er sich aus jedem einzelnen Bouquet genau eine Blume heraus, während das Blut in meinen Ohren zu rauschen und die Verzweiflung überhandzunehmen begann. »Bitte!«, flehte ich seinen Rücken an. »Sagen Sie mir einfach, was Sie –« Er wandte sich so abrupt zu mir um, dass ich zusammenzuckte – und hielt mir zwölf verschiedene Blumen aus mindestens acht, neun Sträußen unter die Nase. »Die hier.« Ein Zucken ging durch meine Augenbraue. »Was?« »Die hier würde ich gerne kaufen«, teilte er mir mit und marschierte damit auch schon in Richtung Tresen. Verdattert sah ich ihm nach, ehe mir einfiel, dass niemand außer mir auf dessen andere Seite treten konnte. Ich fühlte mich, als würde ich schlafwandeln, als ich ihm folgte und meinen Platz einnahm. Was in aller Welt passierte hier? Und war das allein meine Schuld, weil ich mir eingebildet hatte, es wäre eine gute Idee gewesen, den Laden noch bis mitten in der Nacht geöffnet zu lassen? Ruhig bleiben, Marie, bläute ich mir selbst ein. Das hier war nur ein einziger Kunde – und es sah ganz so aus, als hätte er sich beruhigt. In ein paar Augenblicken würde er nach draußen spazieren, und der Spuk wäre vorbei. Und dann wären es keine zwei Stunden mehr, bis ich abschließen konnte. Wobei ich gerade große Lust darauf hatte, jenen Teil des Abends vorzuziehen … Behutsam legte der Rothaarige die einzelnen Blumen vor mir auf dem Tisch ab. »Was macht das?« Unbewegt starrte ich erst seinen individualisierten Strauß an, dann wieder ihn. »Und alles, was ich hier schon zusammengestellt habe, hat Ihnen nicht gefallen?«, fragte ich mit einer ausschweifenden Handbewegung. Er blickte sich noch einmal um, als wollte er sich vergewissern, dass er nichts übersehen hatte. »Nein«, antwortete er gedehnt. »Manche haben Potenzial, aber auch da fehlt mir das gewisse Etwas.« Ich biss die Zähne zusammen. Was tat er hier, wenn er unsere Bouquets so furchtbar fand? Wir waren nicht der einzige Blumenladen in der Gegend. Sollte er doch woanders hingehen. Oder sich seine Sträuße online zusammenstellen! Am liebsten hätte ich ihm genau das an den Kopf geworfen, aber leider gehörte ich zum Typ Mensch, der in entscheidenden Momenten nicht den Mund aufbekam und sich im Nachhinein wochenlang darüber ärgerte. Ich rang um Fassung. Ich musste Gerlind beweisen, dass ich das hier packte. Und dazu gehörte auch, solche Situationen sang- und klanglos hinter mich zu bringen. Bloß kein Drama. Keine Katastrophen. Keine Niederlagen. »Und dieses Etwas«, fragte ich skeptisch, »ist das hier?« Das, was er da auf den Tresen gelegt hatte, sah geradezu kümmerlich aus. »O ja!« Völlig von sich überzeugt nahm er die Blumen wieder in die Hände und drehte seine Konstruktion so, dass ich die Blüten frontal zu sehen bekam. Und damit überraschte er mich. Meine Augen weiteten sich leicht. Er hatte mehrere violette Rosen, rosa Germini und fliederfarbene Santini kombiniert, dazu etwas Schleierkraut, das in den Bouquets, aus denen er es gerissen hatte, nur als Beiwerk gedient hatte, jetzt aber seine ganz eigene Rolle in dem Stück spielte, das die Blumen vor meinen Augen aufführten. |
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