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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Annie Waye für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Annie Waye gibt es auf ihrer Autorenseite, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Gerlind nickte langsam, ein Zeichen dafür, dass sie sich geschlagen gab – vorerst. Bis wir eine ähnliche Diskussion aufs Neue führten. Wahrscheinlich würde es bis dahin nicht einmal zwei Tage dauern. »Also gut. Aber überarbeite dich nicht, ja?« Sanft rieb sie mir mit einer Hand über den Oberarm. »Wenn dein Körper oder dein Geist sagt, es ist genug, dann ist es genug. Hörst du mich? Dann wirfst du alle raus, die hier noch herumlungern!« Sie kniff die Augen zusammen. »Das gilt natürlich jetzt schon für alle, die nur reinkommen, um sich aufzuwärmen.« Ich kicherte. »Ist gut, Oma. Mach dir keinen Kopf.« Ich stieß mich von der Theke ab und führte sie durch den Blumenladen zur Tür. »Ich krieg das schon hin.« »Vergiss nicht, zwischendrin was zu essen! Und mach keine Minute länger als zwölf!«, ermahnte sie mich. »Ich rufe dich so lange an, bis du abschließt, wenn es sein muss!« Ich grinste. »Ich werde mich hüten.« Am Ausgang angekommen, hauchte ich ihr einen Kuss auf die Wange. »Gute Nacht.« »Gute Nacht, Marie.« Als sie mich verließ, fühlte sich ein Teil von mir seltsam erleichtert. Seit drei Jahren arbeitete ich nun schon hier – nachdem ich nochmal drei Jahre meine Berufsausbildung in einem anderen Blumenladen hatte absolvieren müssen, weil Oma fest davon ausgegangen war, dass ich sowieso nach vier Wochen hinschmeißen würde. Sogar nachdem ich mein Ausbildungszeugnis in Händen gehalten hatte, hatte es sie einiges an Überwindung gekostet, mich hier arbeiten zu lassen: An ihrem Baby, den letzten Überresten von etwas, das man heutzutage wohl als Blumenmonopol in Emsland bezeichnet hätte. Doch wie so viele Branchen hatte die Floristik vom wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Wandel nicht nur profitiert. Das Monopol war zersplittert, und meine Großmutter hatte sich und ihre Filiale gerettet und seit Jahrzehnten gerade so über Wasser gehalten. Irgendetwas an ihrem Laden in fremde Hände zu geben, hatte sie viel Überwindung gekostet, vor allem, seit mein Vater gestorben war. Sie fürchtete sich davor, auch den letzten Rest ihres Vermächtnisses zu verlieren. Aber ich hatte mir fest vorgenommen, sie nicht zu enttäuschen – und dafür kämpfte ich jeden Tag. So auch heute, am Valentinstag, an dem ich den Laden bis Mitternacht geöffnet lassen würde, um all den Menschen, die last-minute auf der Suche nach dem perfekten Geschenk waren, zu geben, was sie brauchten. Und davon gab es einige. Während ich mich dem Verkaufsbereich zuwandte, band ich mir meine Haare schnell zu einem frischen, wenn auch immer noch unordentlichen Dutt, und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Unser Laden sah wahrscheinlich nicht anders aus, als man es sich typischerweise vorstellte: Einfach alles war voll mit Blumen. Normalerweise boten wir größere Variationen von Topfpflanzen über Gestecke und Kränze bis hin zu Saatgut und Blumenerde an. Aber jetzt, in der Valentinstagswoche, hatten wir deutlich umgestellt und uns vor allem auf Steckrosen und Bouquets konzentriert. Die ganze Woche über hatten Gerlind, ich und ein paar Aushilfskräfte damit zugebracht, Blumen und Dekoration einzukaufen und sie zu den schönsten Sträußen zu binden. Einen Großteil des Ladens machten Rosen in allen erdenklichen Farben des Regenbogens aus: Sie nahmen ein ganzes Regal für sich ein, das sich über die vom Tresen aus rechte Seite des Verkaufsraums erstreckte. An der gegenüberliegenden Wand und auf den kleinen Blumeninseln, die wir auf niedrigen Regalen und in den Ecken und Enden des Geschäfts aufgebaut hatten, fanden sich wiederum Kombinationen mit und ohne Rosen. Für jeden Geschmack war etwas dabei – auch für diejenigen, die ihren Geschmack selbst nicht kannten. Dann war es an uns, ihnen dabei zu helfen, sich festzulegen. Wie jedes Jahr hatte ich heute Morgen Sorge gehabt, dass wir auf zu vielen der Sträuße sitzenbleiben würden – aber im Laufe des Tages war es zu einer meiner Hauptaufgaben geworden, die vielen Lücken, die sich in unseren Aufbauten bildeten, zu schließen, damit die Blumenregale nicht wie Schweizer Käse aussahen. Vor allem die beiden Aufsteller, die wir vor der Tür platziert hatten und auf die ich durch die gläsernen Außenwände stets einen guten Blick hatte, wurden mit der Zeit immer karger. Das war eben so eine Sache an Blumen: Jeder wollte welche haben, aber die meisten wollten sich so wenig Umstände wie möglich machen, wenn sie welche kauften. Sie kamen zufällig hier vorbei, schnappten sich einen der Sträuße, der sie gerade anlachte, und im besten Fall kamen sie dann sogar kurz rein, um zu bezahlen. Auch wenn wir einen vergleichsweise warmen Februar hatten, lief hier drinnen die Heizung, damit die Blumen und Kunden nicht froren. Dafür erfüllten sie die Luft im Geschäft zu jeder Zeit mit ihrem Duft – die Blumen, nicht die Kunden. Zum Glück nicht die Kunden. Der Geruch der Blumen war nicht aggressiv wie in einer Parfümerie, und man konnte sich nie daran sattriechen. Je nachdem, was wir verkauften, roch ich andere Nuancen aus der Gesamtkomposition heraus, die vor allem eine Sache an meinem Job unterstrichen: Dass kein Tag wie der andere war. Ich ließ den Blick über die Kunden schweifen. Ich hatte nicht mitbekommen, welcher der vier den Laden zuerst betreten hatte, weshalb ich nach einem anderen Maßstab vorging und zu demjenigen trat, der den verzweifeltsten Eindruck machte. »Guten Abend«, begrüßte ich ihn überschwänglich und mit einem breiten Lächeln, weil ich mit den Jahren gelernt hatte, dass man mit guter Laune oft auch Leute anstecken konnte, die beim Betreten des Ladens keine gehabt hatten. |
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