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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich bei Annie Waye für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Annie Waye gibt es auf ihrer Autorenseite, bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | »Oh, h-hallo.« Mein Gegenüber wandte sich mir zu und entpuppte sich als etwa mittefünfzigjähriger Mann mit kreisrundem Haarausfall und einer Brille genauso rundlich wie seine Statur. Er trug einen Anzug mit Krawatte, und während ich so vor ihm stand, stieg mir der Anflug einer Schweißnote in die Nase. »Ich schau mich nur um«, wehrte er schon ab, bevor ich auch nur fragen konnte, ob er Hilfe benötigte. Es war interessant zu sehen, welche Menschen – insbesondere Männer – es noch zu dieser späten Stunde in den Laden verschlug. Es war Viertel nach acht, zwei Stunden nach unserem üblichen Ladenschluss. Schon an den letzten Valentinstagen hatte ich es mir angewöhnt, zu raten, welchen Gast es aus welchem Grund hierher zog. Schon klar, man lief dabei nur zu leicht Gefahr, in Vorurteile zu verfallen – aber viele der Menschen hier sah ich ohnehin nie wieder. Was auch bedeutete, dass ich selten herausfand, ob ich richtiggelegen hatte. Leider. Ich wich nicht von der Seite meines Kunden, sondern ließ den Blick über die Schnittblumen schweifen, die sich vor uns erstreckten. Bei ihm tippte ich ganz stark auf einen vielbeschäftigten Geschäftsmann, der zwar Unmengen an Geld mit nach Hause brachte, dafür aber kaum Zeit. Er wirkte etwas blass um die Nase. Ich konnte ihm das schlechte Gewissen ansehen. Wahrscheinlich hatten sich seine Frau und er schon oft darüber gestritten, dass er so spät von der Arbeit zurückkam – und dann schaffte er es nicht einmal heute rechtzeitig. Vielleicht hatte ein Meeting länger gedauert oder ein Problem in der Firma ihn aufgehalten, aber jetzt war er hier und suchte verzweifelt nach einer Aufmerksamkeit für die Frau, die er doch so sehr liebte. »Was ist ihre Lieblingsfarbe?«, hob ich an. Erstaunt blickte der Mann in meine Richtung. »M-meine?« Zweifelnd drehte ich den Kopf zu ihm. »Nein, die von ihrer –« Er blinzelte hektisch. »O-oh.« Er räusperte sich. »Seine Lieblingsfarbe ist grün«, nahm er mir dann jeglichen Wind aus den Segeln. »Aber das ist wahrscheinlich keine Farbe für Blumen.« Meine Augen wurden groß. Er? Da hatte ich ja mal so was von danebengelegen. »Im Gegenteil«, widersprach ich. »Die meisten Pflanzen haben doch etwas Grünes an sich. Wir müssen nur welche finden, die das Grün gut komplementieren.« Suchend blickte ich mich um und wurde schnell fündig. »Was spricht gegen die guten, alten roten Rosen?« Während ich sprach, wich ich von seiner Seite und schritt zum Tresen hinüber, neben dem ich ein paar hochwertigere Sträuße aufgereiht hatte: Nicht die einfachen schnittblumenbasierten Zusammenstellungen, sondern welche, die mehr zu bieten hatten. »Ach, rote Rosen«, antwortete mein Kunde abfällig, schlurfte aber trotzdem hinter mir her. »Er sagt immer, ich soll ihm bloß nicht mit roten Rosen kommen. Das ist ihm zu viel Klischee.« Ich schmunzelte in mich hinein. »Scheint ja jemand mit Charakterstärke zu sein.« »Und wie!«, seufzte der Geschäftsmann. »Vor allem, wenn ich es wage, am Valentinstag ohne ein Geschenk aufzukreuzen. Das ist dann wieder nicht zu viel Klischee«, fügte er murmelnd hinzu. »Na ja …« Ich blieb neben dem Tresen stehen und hob zielgerichtet einen fertigen Strauß aus seiner Halterung. »Zum Glück kann man mit Klischees spielen.« Ich wandte mich zu ihm um und präsentierte ihm den Strauß mit zwölf violetten Rosen, perfektioniert durch ein Beiwerk aus saftig grünem Eukalyptus. Die Augen des Mannes wurden hinter seiner Brille groß. »Was … ist das?«, fragte er verwundert, aber dem Tonfall nach auch nicht ganz abgeneigt. »Ich glaube«, antwortete ich leichthin, »das ist Ihr perfekter Strauß.« Sanft drehte ich ihn in den Händen. »Die charakterstarken Rosen für ihn, und der weiche Eukalyptus für Sie.« Ich hielt ihm den Strauß hin. »Passt perfekt zusammen, oder etwa nicht?« Behutsam, fast schon ehrfürchtig, nahm er mir den Strauß ab. »Und er ist grün!« Ich unterdrückte ein Seufzen. »Und er ist grün.« Der Mann riss den Blick nicht von dem Strauß, und mit jedem Augenblick, der verstrich, schien er etwas mehr in ihm zu versinken. Ich wusste genau, wie sich dieser Moment für ihn anfühlte. Ein Moment, dem ich schon so oft beigewohnt hatte, der mich aber immer wieder aufs Neue mit einer ungeahnten Wärme erfüllte: Es war der Moment, in dem man aufhörte, die Blumen zu sehen, und stattdessen denjenigen darin erblickte, den man aufrichtig liebte. Seine Lippen teilten sich kaum, als er sich schließlich dazu zwang, mich wieder anzusehen, und sagte: »D-den würde ich gerne nehmen.« Nur wenige Minuten später verließ er den Laden mit dem Strauß in der einen und seinem Handy in der anderen Hand. Das Letzte, was ich von ihm hörte, ehe er nach draußen trat, war: »Schatz? Ich komme jetzt nach Hause.« Dieser eine Satz beflügelte mich so sehr, dass die nächste Stunde wie im Flug verging. Zwei der anderen drei Kunden schafften es auch ohne meine Hilfe, den perfekten Strauß für sich auszuwählen, und der vierte schlich sich aus dem Laden, bevor ich mich um ihn kümmern konnte. Wenn gerade niemand da war, fegte ich kurz durch – es war unglaublich, wie schnell sich in einem Blumenladen Dreck aller Art ansammeln konnte! Gerlind schickte mir regelmäßig Kontrollnachrichten, in denen sie mir einzureden versuchte, dass es für heute genug war. Aber ich machte mir lieber noch einen Kaffee mit unserer 1A-Kaffeemaschine im Hinterzimmer und genoss ihn in vollen Zügen, während ich neue und immer neue Leute beobachtete, die es ins Schneeweißchen verschlug. |
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