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BLOGGERNOTE DES BUCHS |
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LESEPROBE |
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Das Team von Leserkanone.de bedankt sich beim Gmeiner Verlag für die Einsendung dieser Leseprobe! Mehr zu Susanne Ziegert gibt es bei Facebook und bei Instagram. Bei Amazon ist das Buch an dieser Stelle erhältlich. Bei diesem Link handelt es sich um Werbung, er enthält einen Affiliate-Code. | | Kapitel 6
Jetzt hat es Bob und Bora getroffen. Das war das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Die beiden waren so etwas wie seine Familie. Holger Waldmann war aus der Tür seiner Heidekate getreten, um sich eine Zigarette zu drehen. Doch seine Hände zitterten, und er spürte auf einmal, dass er sich vor Müdigkeit und Hunger kaum auf den Beinen halten konnte. Er lehnte sich gegen die Außenwand und versuchte, seine Selbstgedrehte zu einer halbwegs tauglichen Form zu verarbeiten, was ihm nicht sonderlich gelang. Mit gierigen Zügen inhalierte er den Rauch aus dem schiefen Papierstängel. Durch die Schwaden hindurch ließ er den Blick über den Garten schweifen. Obwohl er am Ende seiner Kräfte war, würde er sich aufraffen und die Gräber ausheben. Im Moor, da sahen ihre Körper noch in hunderten Jahren aus, als würden sie nur schlafen. So viele von seinen jüngeren Cockerspaniels hatten es nicht geschafft. Jetzt traf es seine Stammhalter, von denen seine Zucht abstammte. Sie hatten einen besonderen Platz in seinem Herzen, es waren nicht nur Tiere. Das war Familie. Der finanzielle Aspekt rückte in den Hintergrund. Ihm drohte der Ruin, wenn sein Geschäft zum Erliegen kam. Die Hundezucht hielt ihn wirtschaftlich über Wasser. Das waren die einzigen Einnahmen, die er noch hatte. Pensionstiere konnte er wegen der Seuche schon lange nicht mehr aufnehmen. Nach der Privatisierung hatten ihn die Stadtwerke rausgeworfen. Jahrelang hatte er sich abgerackert, seine Gesundheit aufs Spiel gesetzt, und das war der Dank. Aber er ließ sich nicht klein machen, betrieb eine Hundepension. Er nahm Vierbeiner auf, die im Sommer an der Autobahnraststätte an einen Baum gebunden wurden, wenn die Familie etwas Besseres vorhatte als mit dem Dackel Gassi zu gehen. Für diese fand er ein neues Zuhause. Doch seit dem Befall seines Rudels bestand für fremde Tiere eine Ansteckungsgefahr. Er stand finanziell vor dem Ende. Diese beiden Hunde so schrecklich leiden zu sehen, das hielt er kaum aus. Tränen hatte er lange keine mehr, die hatte er als Kind geweint. Jahrelang wurde er von den Jungs gequält. Bis er eines Tages beschlossen hatte zurückzuschlagen. Das verzieh man einem wie ihm nicht. Einem Fremden, dem Sohn einer rechtlosen Putzfrau? Aber das war lange her, heute traute sich keiner mehr, ihn schief anzusehen. Er wusste sich zu wehren, nur seine Lieben, die konnte er nicht mehr retten. Er ließ sich auf den Boden rutschen und blieb dort sitzen, auch wenn die Pflastersteine vor dem Haus eiskalt waren. Das spürte er nur wie durch einen Dunst, er dachte an die beiden, sein ein und alles. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er weitermachen sollte, wenn sie starben. Ohne die Menschen fühlte er sich nicht einsam. Nur Kinder mochte er ebenso wie die Tiere. Die waren unverdorben, ehrlich und frei von Bosheit. Auf die meisten Erwachsenen konnte er verzichten und er hielt sie sich vom Leibe. Die sannen nur danach, ihn zu vernichten. Bis auf eine Ausnahme: seine Nachbarin. Doch sie war die Frau eines Feindes. Konnte er ihr trauen? Mühsam erhob er sich. Mit wackligen Beinen und einem Anflug von Schwindel schaffte er es bis ins Haus. Er hatte die beiden Hunde in sein Wohn- und Schlafzimmer gebracht, de facto war es das einzige Zimmer, das er benutzte, in den restlichen Räumen hatte er Welpen oder junge Hunde in Boxen untergebracht. Alle Tiere, die nicht die Krankheit hatten, musste er schützen, bis er mehr über den Ursprung wusste. Nur die Pitbulls ließ er draußen. Komischerweise hatten die sich nie angesteckt. Auf eine weiche Decke legte er die beiden schwer kranken Hunde so vorsichtig ab, als handle es sich um zerbrechliches Porzellan. Mit einem nassen Handtuch, mit dem er die Köpfe seiner zwei Lieblinge benetzte, versuchte er, das Fieber einzudämmen. Er flößte ihnen mit einer Pipette Wasser ein. Nahrung verweigerten sie komplett, obwohl er aus dem Supermarkt feinstes Rinderfilet geholt hatte. Vor allem Bora schien ihm schwach, sie litt Schmerzen im Bauchraum und fiepte leise. Bob war zwar müde, doch er hatte Hoffnungen, ihn durchbringen zu können. Die Symptome glichen exakt der Katzenseuche, er hatte schon einmal eine solche Epidemie erlebt und war sich sicher, dass sich seine Hunde bei einer Katze angesteckt hatten. Die Anzeichen entsprachen der Parvovirose, das hatte er nachgelesen. Doch sein Tierarzt hatte behauptet, es sei keine Ansteckung möglich. Er hatte auf eigene Kosten Proben in einem mikrobiologischen Labor untersuchen und den Virus isolieren lassen. Mit seinen Untersuchungsergebnissen war er zum bekanntesten Virenprofessor an der Tierärztlichen Hochschule Hannover gegangen. »Hm, interessant«, erklärte der Anzugtyp, der dort in einem noblen Büro mit Ausblick auf den Herrenhausener Park, bewacht von einem echten Drachen als Sekretärin, hockte, er habe aber leider keine Zeit, weil er in die Vorlesung müsse. Er verwies ihn an seinen Tierarzt, der bei ihm studiert hatte. Dieser nahm die Dokumente mit arrogantem Ausdruck entgegen, widersprach seinen Erkenntnissen vehement. Er war nicht mit einem Silberlöffel im Mund geboren, hatte kein Abitur gemacht, sondern immer arbeiten müssen. Einem wie ihm wollten die feinen Herren nicht zuhören. Irgendwann hatte er dann ein allgemein gehaltenes Schreiben bekommen, in dem sie abstritten, dass die Erkrankung von Katzen auf Hunde übertragen werden könne. Die Versicherung übernahm die Kosten nicht, Tausende Euro musste er für die verstorbenen Pensionstiere ausbezahlen. Das war eine Lüge, doch zu diesem Zeitpunkt hatte er geglaubt, sie seien zu eingebildet, seiner These nachzugehen, da sie nicht hinnehmen konnten, dass ein Mann ohne höhere Bildung so etwas entdecken konnte. Heute wusste er, dass sie ihn belogen haben. Sie hatten die anderen gedeckt, die ihn vernichten wollten. |
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