Wer steckt hinter »Hemingways Welt«? Seit wann gibt es Ihren Blog? Was hat Sie damals dazu gebracht, ihn zu erschaffen?
Seit Juni 2013 gibt es »Hemingways Welt« und ich bin Gründer, Administrator und Schreiber des Blogs in einem. Irgendwie bin ich da reingerutscht. Im April 1983 bin ich auf Kuba Gregorio Fuentes begegnet, das ist der Kapitan von Hemingway Boot. Jahre später habe ich Jack Hemingway getroffen, den ältesten Sohn des Nobelpreisträgers, alles Zufälle mehr oder weniger. Über diese Begegnungen habe ich geschrieben und mich sachte und stetig weiter vorgewagt. Die Schauplätze von Hemingways Leben habe ich nach und nach besucht. Im Laufe der Jahre konnte ich dann etwa zehn Zeitzeugen, meist enge Freunde, ausfindig machen und eingehend befragen. Und so sind dann seit fast 10 Jahren gut 500 Posts zusammengekommen.
Was war die aufregendste Station?
Sicherlich die Reise zu Hemingways letztem Wohnort. Ketchum, in den Bergen Idahos, ein ehemaliges Bergarbeiternest von ein paar hundert Einwohnern. Ganz abgelegen in den Ausläufern der Rocky Mountains. Dort wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Er liegt da mit seiner Frau Mary friedlich auf dem kleinen örtlichen Friedhof.
Auch die Reise nach Cabo Blanco in Peru war abenteuerlich. Dort fanden die Dreharbeiten zur Hollywood-Verfilmung von »Der alte Mann und das Meer« statt. Ich hatte so viel Stoff von einer zweimaligen Reise nach Peru, dass ich darüber ein 360-Seiten-Buch geschrieben habe. »Cabo Blanco - Mit Ernest Hemingway in Peru«.
Wie kam es dazu, dass Sie sich mit Ihrem Blog ausgerechnet auf Ernest Hemingway spezialisiert haben?
Wenn das 20. Jahrhundert das amerikanische Jahrhundert gewesen ist, so ist dieser Schriftsteller irgendwie der Autor des 20. Jahrhunderts. Keiner hat es geschafft, die Schönheit dieses Lebens, aber auch seine Herausforderungen so anschaulich zu Papier zu bringen. Ernest Hemingway ist ein Revolutionär, der dieser Charles-Dickens-Ehrpusseligkeit endgültig den Garaus gemacht hat. Ein Abenteurer mit Mumm, aber auch einer im Zwiespalt. Ein Mann mit Stärken und Schwächen, mit Tugenden und Fehlern. Kurz: ein Mensch. Und damit nahbar. Bei Thomas Mann, um einen Zeitgenossen zu erwähnen, wäre so etwas alles nicht möglich.
Wie viele Bücher lesen bzw. rezensieren Sie im Schnitt? Lesen Sie immer nur ein Buch, oder lesen Sie mehrere Bücher parallel?
Zwei, drei Bücher pro Woche. Immer nacheinander. Zwangsläufig habe ich mich auf Hemingway konzentriert. Über 120 Bücher von oder über ihn stehen in meiner Bibliothek. Aber ich lese auch andere gerne. Richard Brautigan, Jörg Fauser, Mario Vargas Llosa, Gabriel García Márquez, Leonardo Padura habe ich zuletzt in der Hand gehabt.
Was macht für Sie ein »gutes Buch« aus? Auf welche Faktoren legen Sie beim Lesen und Bewerten Ihr Hauptaugenmerk und warum?
Das Gesetz Nummer eins bei Literatur, gleich welcher Art, ist für mich: Du sollst nicht langweilen. Ein Buch muss mich fesseln, hineinziehen in eine andere Welt. Man darf nicht aufhören, zu lesen. Auch lege ich Wert auf Kolorit. Die Schwingungen müssen spürbar sein, die Handlung und die Schauplätze müssen mich emotional einfangen. Handwerk finde ich zudem wichtig. Ich habe viele Jahre in einem großen Verlag als Cheflektor gearbeitet, meist merke ich schon nach den ersten zwei, drei Sätze, ob jemand wirklich was drauf hat.
Welches Hemingway-Buch oder welche Hemingway-Bücher sind Ihnen besonders positiv in Erinnerung geblieben? Was gefiel Ihnen an ihnen ganz besonders gut?
Für Einsteiger empfehle ich »Paris - Ein Fest fürs Leben«. Das geht über seine sechs Jahre in Paris in den 1920ern. Ein Werk voller Poesie und Lebenslust. Eine Hymne an diese außergewöhnliche Stadt. Seine Prosa liest sich mitunter wie Poesie. Die Sätze guter Schriftstellerinnen und Schriftsteller müssen Melodie und Rhythmus besitzen, das bekommen die wenigsten hin. Bei diesem Buch bekommt man demonstriert, was dies ist und wie dies funktioniert.
Gab es Hemingway-Bücher, die Ihnen überhaupt nicht gefallen haben oder bei denen Sie das Lesen gar abgebrochen haben? Welche waren das, und was missfiel Ihnen an ihnen?
»Der Garten Eden« aus dem Nachlass veröffentlicht gefällt mir überhaupt nicht. Da hat Hemingway versucht, »modern« zu schreiben. Und es ging voll in die Hose. Die eigentliche Stärke von Ernest Hemingway: Seine Themen sind verbürgt, alles selbst erlebt oder selbst beobachtet. Hingegen ist »Der Garten Eden« artifiziell und phantasiert. Es passt nicht zu ihm. Ein Plastik-Produkt.
Werden auf Ihrem Blog nur Hemingways Bücher rezensiert, oder können Ihre Besucher auch andere Dinge bei Ihnen lesen?
Ich habe auf »Hemingways Welt« auch über Jorge Luis Borges, Jack Kerouac, Joachim Ringelnatz, Gustav Regler, J. D. Salinger, Simone de Beauvoir, Rainer Maria Rilke und einige andere geschrieben. Jedoch muss immer ein Schnittpunkt zu Hemingways Leben und Werk vorhanden sein. Es ist spannend, diese Schnittpunkte zu entdecken und zu erforschen.
Das Team von Leserkanone.de dankt Herrn Dr. Stock für die Zeit, die sie sich genommen hat!
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