Mit dem Roman »Goldener Tod« hat Monika Loerchner den Schlusspunkt unter ihre erfolgreiche »Hexenherz«-Reihe gesetzt. Im Interview mit Leserkanone.de sprach die Autorin über das Buch, über den Abschied von Protagonisten und über ihre zukünftigen Projekte.
Frau Loerchner, dieses Mal sind anderthalb Jahre vergangen, seitdem wir Sie zuletzt zu einem Gespräch begrüßen konnten. Was hat sich in der Zwischenzeit im Autorinnenleben der Monika Loerchner getan?
Uff. Eine Menge. Es sind weitere Veröffentlichungen hinzugekommen, Geschichten, teils durch Wettbewerbe, teils so. Besonders habe ich mich gefreut, beim Odenwald-Krimiwettbewerb mit in die Anthologie aufgenommen worden zu sein und über den 2. Platz bei Jurypreis des Mölltaler Geschichtenfestivals. Leider war ich mit meinem Fantasy-Krimi »Die Tote in der Tränenburg« situationsbedingt nicht so viel unterwegs, wie es mir lieb gewesen wäre. Als Schriftstellerin arbeite ich überwiegend von Zuhause aus. Da hat mich der Heimunterricht meiner beiden Kinder ganz schön ausgebremst, das ging ja vielen so. Ansonsten ist alles wie immer: die nächste Idee ist schon dabei, sich in einen echten Plot zu verwandeln.
Hat sich die Corona-Krise auch bei Ihrer Arbeit als Autorin bemerkbar gemacht?
Siehe oben. Von »entschleunigen« konnte bei mir wirklich nicht die Rede sein. Dass die Leipziger Buchmesse abgesagt worden war, war ein mutiger und kluger Schritt, aber es hat mir dennoch das Herz gebrochen. Das ging vielen in der Branche so. Leipzig ist nunmal DAS »Familientreffen«, die Zusammenkunft von SchriftstellerInnen, Menschen aus dem Verlagswesen, LeserInnen und BuchboggerInnen. Einige davon sind echte Freunde geworden die ich aus geografischen Gründen aber nur ein paar Mal im Jahr sehen. Die abgesagten Lesungen und Konvents haben mich ebenfalls hart getroffen; das ist für mich aber eher noch ein Luxusproblem. Ich blicke mit Sorge auf die Branche. Ich denke, wir werden um ein großes Verlagssterben nicht drumherum kommen.
Inzwischen ist mit »Goldener Tod« der dritte Band Ihrer »Hexenherz«-Reihe erschienen. Was erwartet Ihre Leser in dem Buch?
Alles. Die Hexenherz-Bücher sind ja immer in sich abgeschlossen, dieses auch. Dennoch ist es ein würdiger Abschluss der Reihe. Wer die Teile 1 und 2 kennt, wird sicher einen Verdacht haben, wie es weiter gehen wird. Mit diesen Erwartungen wollte ich bewusst brechen.
»Goldener Tod« ist wieder eine spannende Geschichte, in der es aber auch um moralische Fragen geht. Was richtig und was falsch ist, was vertretbar ist, um sich zu schützen. Wie weit man gehen darf. Welche Opfer man bereit ist, zu bringen.
Ich lese selbst sehr viel und habe eine starke Abneigung gegen Plots, die sich immer wiederholen. Es gibt Menschen, die mögen das, weil sie sich so besser beim Lesen entspannend können, wissen, was sie erwartet. Ist halt Geschmackssache. Ich lasse mich lieber überraschen und habe daher auch wieder daraufgesetzt, meinerseits als Schreiberin nicht vorhersehbar zu sein.
Warum sollten Leser, die bislang noch nicht in die Reihe eingestiegen waren, jetzt erst recht einen Blick auf die »Hexenherz«-Romane werfen?
Interessante Frage, :D Weil es jetzt drei gibt? Im Ernst: ich streame mittlerweile nur noch Serien, von denen es mindestens schon zwei Staffeln gibt; es ist einfach zu frustrierend, wenn man »süchtig« geworden ist und es dann nicht weiter geht.
Teil 1, »Eisiger Zorn«, hat mittlerweile über 100 Rezensionen auf Amazon die sprechen denke ich für sich. Der 2. Teil »Glühender Hass« hat es nicht ganz so einfach; ich denke, es schreckt einige Leser ab, dass dieser Band von einem Jungen erzählt wird. Schade, die verpassen was. Was ich an der Reihe am meisten mag, ist, dass jedes Buch anders ist.
»Hexenherz Eisiger Zorn« ist ein Sturkopf. Etwas ungeschliffen und übereifrig, aber mit dem Herz am rechten Fleck. Das ist eindeutig der Raufbold unter meinen Büchern, aber immer ehrlich und direkt. Ehrenhaft. Dieses Kind hält sich stets gerade, steht immer wieder auf. Weiß, was es kann, ohne arrogant zu sein. Setzt fast schon kompromisslos Prioritäten und zieht es dann durch.
»Glühender Hass« ist feinsinniger, emotionaler. Wäre dieses Buch ein Mensch, dann wäre es der Freund oder die Freundin, zu dem/der man geht, wenn man Liebeskummer hat oder auf der Arbeit gerade alles Mist ist. Weil es einem zuhört und einen versteht. Das die kleinen Dinge zu schätzen weiß, weil es weiß, dass darin die wirklich großen Dinge verborgen liegen.
Mein neuestes Buch »Goldener Tod« ist ein tiefsinniger Freigeist, der ganz allein die Welt retten will. Das Kind mit dem nach »Die Tote in der Tränenburg« zweitordentlichsten Zimmer, sozusagen. Dasjenige, das auf jeden Baum zu klettern versucht, und sei es noch so aussichtslos. Das würde auch bei Gewitter zelten und hätte im Sommer ständig zerschrammte Knie. Das Kind, das mühelos andere um sich schart und eine Bande gründet (und anführt), obwohl es es nicht darauf angelegt hat. Und das dann im entscheidenden Moment dafür sorgt, dass auch der/die Neue mitspielen darf.
Was alle drei Bücher und auch »Die Tote in der Tränenburg« so besonders macht, ist ja das Setting: Unsere Welt unter der Annahme, dass vor 550 Jahren ans Licht kam, dass jede Frau während ihrer gebärfähigen Jahre Magie wirken kann. Ergo spielen die Geschichten in einer Gesellschaft, in der Frauen die absolute Macht und Männer nichts zu sagen haben. Eine Kernaussage der Bücher ist, dass nicht unser Geschlecht, sondern unsere Taten entscheiden, wer wir sind. Aber ich gebe gerne zu, dass es Spaß macht, zum Beispiel eine Szene zu schreiben, in der einer Frau Bier und Schnaps hingestellt und der Mann gefragt wird, ob er ein »Sektchen oder eine Weinschorle« möchte.
Ich glaube, wenn ich nicht ich wäre, sondern eine Leserin, würde ich auch ernsthaft überlegen mir den Spaß zu machen, die Bücher rückwärts zu lesen. Das ist überhaupt kein Problem und dürfte zu vielen »Ah soooo!«- und »So war das also!«-Momenten führen.
Seit dem Erscheinen des »Hexenherz«-Auftaktbandes sind inzwischen mehr als dreieinhalb Jahre verstrichen, die Arbeiten daran begannen vermutlich schon viele Monate vorher. Gute vier Jahre also, in denen Sie das (fiktive) Leben Ihrer Charaktere begleitet haben. Haben Sie als Autorin in einem solch langen Zeitraum ein besonderes Verhältnis zu Helena und ihren Wegbegleitern aufgebaut? Und welches Gefühl hat man, unter ihre Geschichte nach so vielen Seiten und so vielen Abenteuern einen (vorläufigen) Schlusspunkt zu setzen?
Die Charaktere sind mir sehr ans Herz gewachsen, klar. Selbst die, die ich nicht leiden kann. Ein bisschen so wie die eigene Schulklasse vielleicht: man mag nicht jeden, aber das Gesamtgefüge. Da ist einfach diese Nähe, die zwangsläufig entsteht, wenn man viel Zeit miteinander verbringt.
Tatsächlich habe ich so meinen ersten Zombie erschaffen! Ich hatte mich so an einen Protagonisten und seine dumme Art gewöhnt, dass ich vergessen hatte, dass er im vorherigen Band gestorben war
Zum Glück hatte mich eine Freundin noch rechtzeitig drauf hingewiesen.
Der »Schlusspunkt« fühlt sich aber gar nicht so an. Zum Glück, ich hatte da echt Sorge, in ein kleines Loch zu fallen. Aber für mich geht die Geschichte weiter, leben die Charaktere weiter, ob ich nun darüber »berichte« oder nicht. Insofern ist alles gut. :-)
Gibt es rückblickend Dinge, die Sie zu Beginn der Reihe mit Ihrem Wissen von heute anders angegangen wären? Haben sich Charaktere und Ereignisse anders entwickelt, als Sie es anfangs geplant hatten, oder erfolgte das Schreiben entlang eines von Anfang an komplett durchstrukturierten Reißbrettes? Inwieweit entwickelt man sich als Autorin während eines jahrelangen Schreibprozesses am gleichen Projekt weiter?
Was sich wirklich geändert hat, ist die Sprache: Teil 1 habe ich einfach so geschrieben. Dann, kurz vor Abschluss von Teil 2, kam mir der Gedanke: »Moment Mal! 550 Jahre Matriarchat sollte man das nicht auch an der Sprache merken?«
Ich beschloss, circa drei Wochen vor Drucktermin nochmal alles umzuschreiben. Zum Glück war der Acabus Verlag einverstanden und zog mit. In Teil 2 und Teil 3 findet man also keine Wörter, die auf eine patriarchale Prägung schließen lassen. Angefangen beim Wörtchen »man«. Das war eine ganz schöne Herausforderung! Und erst dabei ist mir aufgefallen, wie »männlich« unsere Sprache doch ist. »Niemand«, »Jemand«, »Herrschaft«, »beherrschen«, »bemannen«, »Mannschaft« und so weiter. Bei Pluralformen habe ich immer die weibliche genommen und die Männer »mitgemeint«. Andere Ausdrücke haben wir umgangen, damit die Lesbarkeit nicht darunter leidet. Auch sollte es nicht zu Missverständnissen kommen; hätten wir etwas »herrlich« und »dämlich« in ihrer Bedeutung umgekehrt, hätte das wohl niemand verstanden.
Sprachlich betrachtet war das ein höchst spannendes Experiment: Fällt das auf? Wird es die Story stören? Bekommen wir das überhaupt hin?
Mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden. Weil es authentisch ist und mit dem Inhalt harmoniert.
Allgemein aufs Schreiben bezogen sehe das Wort »Weiterentwicklung« eher skeptisch. Es impliziert ja, dass man besser geworden ist. Und das würde bedeuten, dass die vorherigen Werke schlechter sind als das aktuelle. Ich habe oben die einzelnen Bücher beschrieben. Man kann sie nicht miteinander vergleichen, weil sie einfach alle unterschiedlich sind. Jedes für sich ist ebenso wie »Die Tote in der Tränenburg«« das beste Buch, das ich je geschrieben habe.
Was können wir von der Autorin Monika Loerchner in der nächsten Zukunft erwarten? Sind bereits neue Buchprojekte in Planung?
Wie immer: jede Menge gute Geschichten! Ich nehme immer wieder und auch recht erfolgreich an Ausschreibunge teil, so dass eigentlich immer »frische« Geschichten von mir auf dem Markt sind. Ideen für Bücher habe ich reichlich, einige davon sogar sehr konkret. Aktuell bin ich tief im Weltenbau versunken; mal schauen, ob ich daraus wieder soweit hervor tauche, dass ich auch den Plot dazu schreiben kann. Ich habe eine Idee für einen Thriller und eine für etwas sonderbarere Fantasy. Weiter hatte ich für eine Ausschreibung auch mal was fürs Herz begonnen, das würde ich bei passender Gelegenheit auch noch weiterverfolgen. Ich liebe Krimis und habe mir fest vorgenommen, Spezialermittlerin Magret Beathesdother von »Die Tote in der Tränenburg« irgendwann wieder auf ein Verbrechen in der Hexenherzwelt anzusetzen. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja auch irgendwann noch eine Hexenherz-Trilogie?
Das Team von Leserkanone.de dankt Monika Loerchner für die Zeit, die sie sich genommen hat!
Weiterführende Links:
Offizielle Webseite von Monika Loerchner
Monika Loerchner bei Facebook
»Hexenherz 3 - Goldener Tod« bei Leserkanone.de
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