
Herr Knappe, seit wann sind Sie in der Buchwelt aktiv? Wie kam es damals dazu, dass Sie mit dem Schreiben begonnen haben?
Bereits in sehr jungen Jahren hat mich die Lektüre der Bücher von Henry Miller und der Beat-Generation dazu angestachelt, es selbst zu versuchen. Durch einen befreundeten Anwalt und Verleger wurde 1982 (ich war damals 24 Jahre alt) mein erster Erzählband »Entregelung« veröffentlicht. Damals habe ich Bücher für dessen Verlag aus dem Amerikanischen übersetzt, später vorübergehend meinen eigenen Verlag gegründet und nach einer sehr langen Pause erst wieder meine nächsten eigenen Bücher mit Erzählungen geschrieben.
In welchem Genre oder welchen Genres sind Sie aktiv? Wie kam es dazu?
Mein Genre, wenn man Geschriebenes überhaupt kategorisieren will oder muss, würde ich die »emotions- und spannungsgeladene Bewältigung kritischer Herausforderungen« in kurzen Storys sowie in Romanform nennen. Vermutlich liegt der Grund dafür im eigenen Erleben.
Wodurch wird ein Buch Ihrer Ansicht nach zu einem guten Buch, was macht Figuren zu gelungenen Figuren?
Das wichtigste Kriterium eines guten Buches ist für mich, dass es Charaktere und Situationen aufzeigt, die einen wirklich interessieren, in die man sich hineinversetzt und wo man mitfiebert. Dadurch erklärt sich übrigens, warum unterschiedliche Leser/innen unterschiedliche Bücher »gut« oder »schlecht« finden. Die Glaubhaftigkeit, die Vielschichtigkeit und ihre Tiefgründigkeit sind für mich Voraussetzungen einer »gelungenen« Romanfigur.
Wie können sich Ihre Leser einen Tag in Ihrem Autorenleben vorstellen? Wie, wann und wie viel schreiben Sie? Halten Sie sich dabei an spezielle Rituale?
Da ich ein Morgenmensch bin, nutze ich die ersten Stunden des Tages gewöhnlich kreativ, meist mit Schreiben oder dem Skizzieren von Handlungen, Zusammenhängen, Personen etc. Bis das Pulver definitiv verschossen ist. Nachmittags oder abends kommen stets noch Ideen, viele übrigens in der Badewanne, aber außer ein paar Notizen gelangt nichts davon zu Papier. Nach fehlgeschlagenen Experimenten in Jugendjahren, den kreativen Geist durch Alkohol zu beflügeln, habe ich schon früh konstatiert, dass so etwas nicht funktioniert. Selbst die wildesten Passagen kommen nur mit völlig klarem Kopf zustande.
Woher holen Sie sich Ihre Ideen? Was inspiriert Sie, wer inspiriert Sie?
Mein Problem besteht eher darin, mich all der Inspirationen im täglichen Leben zu erwehren und zum Schreiben nur jene wirklich packenden Szenarien durchzulassen, die es wert sind. Der reiche Freundes- und Bekanntenkreis von mir und meiner Frau ist derart voller spannender, teils dramatischer, teils kurioser echter Schicksale, dass man täglich Stoff für mehrere Romane gleichzeitig hätte.
Entstehen Ihre Geschichten im Voraus »am Reißbrett«, oder schreiben Sie »drauflos« und lassen Sie den Worten ihren Lauf? Warum halten Sie Ihren Weg für den Richtigen?
Besonders unerfahrene, gleichwohl talentierte Schriftsteller experimentierten (wie ich) zunächst sicher mit dem »freien Schreibfluss«, bei dem sich im Prozess erst die nächsten Schritte, Szenen, Wortspiele entwickeln. Das ist interessant, und das Ergebnis kann eine Sensation werden. Doch sobald eine Erzählung oder gar ein Roman über eine längere Strecke führt, muss das »Drauflosschreiben« gründlich schiefgehen, wie ich selbst erfuhr. Inzwischen plädiere ich dafür, dass eine spontane, vielleicht verrückte, noch so irre Idee eine gut geplante Umsetzung verlangt, um daraus einen geschliffenen Diamanten zu machen. Ein Roman ist, wie ich schon sagte, eine Symphonie, die von vorne bis hinten stimmig sein muss. Ein Patzer darin verdirbt das ganze Werk. Und selbst kurze Handlungen (man lese einmal die kurzen Dramen »Mozart und Salieri« oder »Die Russalka« von Puschkin) erlangen ihre Qualität dadurch, dass jedes Wort sitzt.
Das Team von Leserkanone.de dankt Horst Knappe für die Zeit, die er sich genommen hat!