Vor einigen Wochen hat Sylvia Koppermann ihren historischen Roman »Der Nornen Knoten« in einer überarbeiteten Fassung neu veröffentlicht. Wir haben dieser Tage ein ausführliches Interview mit ihr über das Buch geführt, den ersten Teil findet ihr hier. Im zweiten Part sprach sie mit uns über das Veröffentlichen in Eigenregie, über die Besonderheiten von historischen Romanen auf dem Büchermarkt und über ihre zukünftigen Projekte.
Sie haben Ihr Buch ohne einen Verlag in Eigenregie veröffentlicht. Was hat Sie dazu bewogen, es auf diesem Wege zu versuchen? Und halten Sie in der heutigen Zeit Verlage überhaupt noch für nötig?
Nachdem ich den Roman beendet hatte, war ich völlig verunsichert und hatte kaum Ahnung wie die nächsten Schritte aussehen sollten, um das Buch veröffentlichen zu können. Zwar hatte ich in Sylvia Englert eine Art liebevolle Mentorin, die mich immer wieder ermutigte und auch fachlich toll beriet, aber dennoch blieb eben vor allem die Angst nicht gut genug zu sein, dann Absagen von Verlagen zu erhalten und durch so entstehende Resignation aufzugeben. Also beschloss ich mich bei Literaturagenturen zu bewerben und hatte da das unbeschreiblich große Glück, sofort von einer sehr renommierten und bekannten Agentur unter Vertrag genommen zu werden, die sich auch sehr bemühte einen Verlag zu finden.
Als unbekannte Autorin einen so umfangreichen Roman im Erstwerk zu veröffentlichen, ist man auch ein Risiko für Verlage. Zudem kam schließlich, nach längerer Zeit, die Rückmeldung eines Verlags, in der recht deutlich ausgesprochen wurde, dass man Berührungsängste potentieller Leser gegenüber der Figur mit Down-Syndrom befürchten müsse, die das wirtschaftliche Risiko zu groß erscheinen lassen. Ich sollte die Figur des Bjarne reduzieren oder ganz herausschreiben. Und dazu war ich nicht bereit. Durch ihn hatte ich den Mut und die Kraft gefunden, den Roman überhaupt erst zu schreiben. Er ist das Denkmal meines Sohnes. Ihn herauszuschreiben war mir emotional nicht möglich. Ich hätte immer das Gefühl gehabt, ihn für eine höhere Bekanntheit auf dem Buchmarkt zu verraten. So bat ich bei der Literaturagentur um Auflösung unseres Vertrages und Dank des großen Verständnisses der Agenturchefin, trennten wir uns einvernehmlich.
Bis ich dann den Mut fand, es im Self-Publishing zu wagen, verging aber noch einmal eine Zeit. Ich wurde krank, beziehungsweise hatte zunehmend gesundheitliche Probleme und schließlich wurde ein recht großer, wenn auch gutartiger Hirnhauttumor entdeckt, der körperliche Funktionen, durch die Komprimierungen auf das Hirn beeinträchtigte. Mir wurde schlagartig bewusst, wie schnell das Leben, das man zu kennen glauben dachte, vorbei sein kann. Und nach der notwendigen Operation begann ich mein Dasein aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Ich wollte nicht mehr nur länger immer auf eine theoretische Zukunft hin leben, sondern jeden Augenblick nutzen, um meine Träume zu realisieren. Und dazu gehörte eben auch, meinen Roman auf den Markt zu bringen. Dann würde ich eben vielleicht nicht zu den Autoren zählen, deren Bücher weltweit in Bestsellerlisten stehen. Aber eben ein paar wenige Leser erreichen können, um sie mit vielen Gefühlen auf eine Reise durch die Zeit mitnehmen zu können.
Was die Frage angeht, ob ich Verlage in der heutigen Zeit noch für nötig halte, kann ich nicht klar bejahen oder verneinen. Ich denke, es wäre heute vorteilhaft, wenn sich einzelne Strukturen verändern. Sehr viele Autoren, die wirklich tolle Werke schaffen, scheitern an Verlagen, weil sie nicht in ein bereits bewährtes Muster passen, das die wirtschaftlichen Aspekte der Verlage absichert. Bücher haben kein Verfallsdatum, sind auch nach Jahren noch neu und unbekannt für Leser, die sie erst entdecken müssen. Es dreht sich aber auch in der Verlagswelt gefühlt meist um Schnelllebigkeit und rasant hohe Umsatzzahlen. Man scheint nicht mehr oft Verlage zu finden, die sich auch auf neues Terrain begeben möchten, um die Vielfältigkeit des Buchmarkts wachsen zu lassen. Und das ist auch für Leser schade, denn sie haben keinen Einfluss darauf. Egal wie sehr sie sich zum Beispiel die Fortsetzung eines tollen Romans oder thematisches Neuland auch wünschen würden.
Aber ich sehe natürlich auch Nachteile im Self-Publishing. Autoren, die sich für diesen Weg entscheiden, müssen alles in Eigenregie aufstellen. Und das beginnt dann bereits bei der Korrektur, denn als Autor kann man noch so gut in Rechtschreibung und Zeichensetzung sein, für eigene Tippfehler ist man oft blind. Nur, sind die im Vorfeld entstehenden Kosten für Korrektorat, vielleicht auch Lektorat, dazu gegebenenfalls professionell erstellte Buchcover, ein enormer finanzieller Punkt, der so meist nicht realisierbar ist.
Ich spreche wohl nicht nur für mich, wenn ich sage, dass viele Autoren sich da ein System wünschen würden, um beispielsweise bei der Korrektur und im Marketing etwas mehr Unterstützung zu bekommen und dafür, ohne fast alle Rechte am eigenen Buch abgeben zu müssen, einer Umsatzbeteiligung gern zustimmen würden. Und das hat sicher keine finanziellen Hintergedanken, denn auch im Self-Publishing verdient man als Autor nur einen Bruchteil vom Verkaufspreis des Buchs.
Insgesamt bleibe ich aber auch optimistisch, denn ich sehe viele Veränderungen, die sich langsam abzuzeichnen beginnen und werde die Hoffnung nicht verlieren, dass auch die Kluft zwischen Verlagen und Self-Publishern sich zu schließen beginnt und langfristig neue, für alle Beteiligten zufriedenstellende Wege sich eröffnen.

Was halten Sie für die Gründe, dass - zumindest im Onlineverkauf - in den Bereichen der Liebesromane und Regionalkrimis Self-Publisher erfolgreicher zu sein scheinen als Verlagsautoren, während es bei historischen Romanen noch einen gehörigen Aufholbedarf zu geben scheint?
Das ist eine sehr gute Frage, zu der ich mir bisher noch nicht wirklich viele Gedanken gemacht habe, da ich mich mit den Anteilen der Genre im Onlineverkauf nicht intensiver beschäftigte.
Insgesamt zeichnet sich, nach meinen Beobachtungen, inzwischen doch schon ein Wachstum an Onlineverkäufen bei historischen Romanen ab. Nicht erst seit der Corona-Pandemie und damit verbundenen Lockdowns, sonder vorher schon.
Allerdings könnte ich mir auch vorstellen, dass die Entwicklungen etwas schleppender verlaufen, weil es unterschiedliche Ansprüche gibt. Und das meine ich keineswegs abwertend und/oder auf inhaltliche Werte bezogen!
Leser von historischen Romanen haben häufig einen Mindestanspruch, der sich neben dem Inhalt - auch auf den Umfang eines Buches bezieht. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch sehr gute und dicke Liebesromane oder Regionalkrimis gibt. In der Regel kann man aber sagen, dass der durchschnittliche Liebesroman oder Regionalkrimi sich in der Seitenzahl vom historischen Roman unterscheidet. Viele Leser historischer Romane beachten Werke unter 300 oder 400 Seiten erst gar nicht. Sie möchten möglichst lang auf eine wundervolle Zeitreise gehen und da ist, die Seitenzahl betreffend und vorausgesetzt, der Inhalt ist packend, nach oben alles offen. Zudem gibt es viele Leser historischer Romane, die eines der umfangreichen Werke zunächst einmal erst in Händen halten, darin blättern und Passagen lesen möchten, bevor sie sich für den Kauf entscheiden. Im Onlineverkauf ist dies kaum möglich.
Aber gerade da zeichnet sich eben auch eine Veränderung ab, wie ich immer wieder auch über soziale Medien beobachte. Es finden sich virtuell Gruppen zusammen, die bestimmte Genre, auch historische Romane, gern lesen und sich die Bücher gegenseitig vorstellen und empfehlen. Es ist diese Mundpropaganda, die dazu beiträgt, Interesse für die historischen Romane zu entwickeln. Man sucht im Internet nach weiteren Informationen, wägt ab, ob der Preis annehmbar erscheint und entscheidet sich dann vielleicht für den Kauf.
Sehr umfangreiche Bücher sind aber eben auch teurer, da vor allem die Druckkosten deutlich höher sind, als bei Büchern mit weniger Seiten. Bevor man nun also einen historischen Roman mit 700 Seiten kauft, der 20-25 kostet und nicht sonderlich bekannt ist, wägt man wahrscheinlich mehr ab, als bei einem Buch mit 300 Seiten dessen Verkaufspreis um die Hälfte günstiger ist. Self-Publisher nutzen in der Regel ja Print on Demand. Dabei wird jedes Buch individuell gedruckt. Es gibt dafür aber eben keine Druckkostenrabatte, die bei hoher Stückzahl angeboten werden. So bleibt der sehr umfangreiche historische Roman also meist deutlich teurer, als Bücher in Genre, die durchschnittlich weniger Seiten haben und Leser überlegen länger, ob sie sich zum Kauf entscheiden, denn wenn ihnen am Ende der teurere historische Roman nicht wirklich zusagt, ärgern sie sich natürlich auch mehr, wenn sie das Gefühl haben, mehr Geld für eine Enttäuschung bezahlt zu haben. Aber das ist nur eine Theorie von mir. Interessieren würde mich auch, ob das von mir beobachtete Wachstum bei Onlineverkäufen für historische Romane vorübergehend oder gleichbleibend wachsend ist.
Was können wir von der Autorin Sylvia Koppermann in der nächsten Zukunft erwarten? Sind bereits neue Buchprojekte in Planung? Stehen außerdem Termine für Messen, Lesungen & Co. fest, bei denen man Sie live erleben kann?
Ich arbeite tatsächlich an weiteren historischen Romanen. Derzeit bin ich seit gut einem Jahr in der Recherche zu einem Roman, bei dem ich eine wahre Geschichte erzählen möchte, die allerdings in einer ganz anderen Epoche geschah. Inspiriert wurde ich dabei durch die Ahnenforschung, die ich seit einigen Jahren privat ein wenig betreibe. So stellte ich fest, dass es in einer meiner Ahnenlinien fast urplötzlich, im 18. Jahrhundert, einen regionalen Wechsel gab, den ich zu ergründen suchte. Bei näherer Recherche stieß ich auf recht gut dokumentierte Auswanderungsvorhaben meiner Ahnen und einiger Familien aus der selben Region. Durch unglückliche Umstände scheiterte ihr Vorhaben nach Amerika auszuwandern jedoch bereits an der Grenze zum Nachbarland. Fast mittellos und vor allem nun heimatlos, ohne wirkliche Perspektiven, standen sie also nun in der Fremde und mussten versuchen, sich ein neues Zuhause aufzubauen, was durch viele Rückschläge geprägt wurde.
In diesem Roman verlasse ich meine Komfortzone, was die Epoche betrifft und muss mich geschichtlich komplett neu einarbeiten. Aber ich setze auch viel darauf, die Geschichte so real-historisch es nur geht zu erzählen, denn das was diese Menschen erdulden und leisten mussten ist allein schon eine Geschichte, wie man sie kaum für möglich hält. Und das soll gewürdigt werden.
Aber es ist eben auch für mich eine Herausforderung. Und da ich primär vor allem auch meiner Familie gegenüber verpflichtet bin, die vor meiner Arbeit immer an erster Stelle steht, bin ich zeitlich manchmal auch etwas eingeschränkt. Gerade bei meinen eigenen Projekten will ich nichts mit Macht erzwingen, weil ich glaube, dass gerade die emotionalen Aspekte des Schreibens eine Entfaltungsmöglichkeit brauchen.
Das zweite Projekt führt wieder in etwa die weitläufige Region, die Lesern auch schon von »Der Nornen Knoten« bekannt ist. Allerdings etwa drei Jahrhunderte früher. Ich plane bereits seit einigen Jahren eine altnordische Saga so zu erzählen, wie sie real hätte passiert sein können. Dazu bin ich ebenfalls immer wieder auch intensiver in der Recherche und baue am Plott.
Insgesamt gibt es aber auch noch sehr viele weitere Ideen zu historischen Romanen, bei denen ich mich etwas bremsen muss, um die jetzigen beiden Projekte vernünftig umzusetzen.
Da ich mehr aus nostalgischen Gründen in einem anderen Genre noch Bücher veröffentlicht habe, in denen heitere Kurzgeschichten aus dem Leben einer Großfamilie erzählt werden, bin ich zudem auch dabei ein Koch- und Backbuch mit unseren persönlichen Lieblingsrezepten zu schreiben.
Insgesamt kann ich also sagen, dass ich durchaus weitere Bücher, vor allem historische Romane zu veröffentlichen plane, jedoch zeitlich nicht festlegen möchte, wann diese auf den Markt kommen.
Ich freue mich aber sehr auf all diese Projekte und hoffe, dass sie dann auch eine ähnlich positive Wirkung auf die Leser haben werden, wie es bisher bei »Der Nornen Knoten« der Fall ist. Von daher lasse ich mir lieber etwas mehr Zeit, als unter Zeitdruck vielleicht zu enttäuschen, denn für mich zählt primär die Zufriedenheit der Leser und dass ich sie vielleicht für die Stunden des Lesens aus dem Alltag entführen kann, um ihnen hoffentlich Auszeiten zu schenken.
Auf Lesungen oder Messen wird man mich kaum antreffen. Ich hoffe aber, dass sich irgendwann eine Idee realisieren lässt, eventuell mit anderen Autoren zusammen einen Kanal zu nutzen, auf dem wir Lesungen als kurze Videosequenzen anbieten können, um Lesern auch überregional Eindrücke unserer Werke zu vermitteln. Gerade in Zeiten der Internetvernetzungen finde ich das eine spannende Idee, da es interessierten Lesern die Möglichkeit gibt unsere Werke ganz unabhängig von Ort und Zeit kennen zu lernen.
Allerdings möchte ich auch nicht vermitteln, ich sei generell scheu im Kontakt mit Lesern. Ganz im Gegenteil, denn ich finde vor allem auch den virtuellen Austausch, wenn mich Leser anschreiben, um konstruktiv Kritik zu üben oder Lob auszusprechen sehr wichtig und inspirierend. Das bedeutet mir persönlich sehr viel und animiert mich beständig zu einem Wachstum. Schließlich sind es doch die Leser für die ich schreibe und möchte, dass sie wissen, wie sehr ich sie schätze und ihnen dankbar bin, sich offen mit mir auszutauschen.
Das Team von Leserkanone.de dankt Sylvia Koppermann für die Zeit, die sie sich genommen hat!
Weiterführende Links:
Offizielle Webseite von Sylvia Koppermann
Sylvia Koppermann bei Facebook
Sylvia Koppermann bei Instagram
»Der Nornen Knoten« bei Leserkanone.de
»Der Nornen Knoten« bei Amazon
|