
Frau Reifenstahl, wie lange sind Sie bereits Teil der schreibenden Zunft? Wie kam es damals dazu, dass Sie mit dem Schreiben begonnen haben?
Bei mir ist es wie bei vielen: Ich erfinde schon seit meiner Kindheit Geschichten. Für die Initialzündung sorgte eine Schreibgruppe, der ich 2017 beitrat. Dort arbeiteten wir gezielt auf Veröffentlichungen hin. Die ersten Kurzgeschichten erschienen im gleichen Jahr. Seitdem nehme ich erfolgreich an Literaturwettbewerben teil. Als Ergebnis wurden zahlreiche Texte in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht.
In welchem Genre oder welchen Genres sind Sie aktiv? Wie kam es dazu?
Viele meiner Geschichten lassen sich dem Genre Fantasy zuordnen, und nicht wenige wurden von Mythen beeinflusst. Ich liebe die nordische, keltische und vor allem die griechische Mythologie und erwecke die Legenden gern zu neuem Leben.
Nicht wirklich ein Genre, aber eine Herzenssache sind queere Texte. Mit ihnen möchte ich zeigen, dass Liebe in unterschiedlichen Facetten und Konstellationen vollkommen normal ist.
Die Protagonisten meines Debütromans »Aus Drei wird Liebe« sind männlich, und wie der Titel andeutet, lässt sich Liebe nicht immer auf zwei Menschen beschränken.
Was macht ein Buch in Ihren Augen zu einem guten Buch, was zeichnet gute Protagonisten aus?
Geschichten sind Geschmackssache, der eine mag lange Beschreibungen, der andere liebt es spannend.
Für mich sollte ein Buch einen hohen Spannungsbogen, nachvollziehbare Konflikte und gern auch unvorhersehbare Wendungen besitzen. Mich interessieren Charaktere, die vielschichtig sind, keine strahlenden Helden, keine glatt geschliffenen Modelltypen, sondern Wesen mit Ecken und Kanten.
Beim Lesen habe ich einen Hang zu tragischen Gestalten wie Frankenstein, Elric von Melnibone oder Druss die Legende. Das schlägt sich in meinen Geschichten nieder. Ich bürde den Figuren oft einen dicken Packen Probleme auf.
Wie können sich Ihre Leser einen Tag im Autorenleben der Sabine Reifenstahl vorstellen? Wie, wann und wie viel schreiben Sie? Haben Sie sich dazu spezielle Rituale angewöhnt?
Ich bin Frühaufsteherin und schreibe vor der Arbeit und an den freien Tagen. Abends kümmere ich mich eher um Social Media und plane Beiträge, beantworte Mails etc. Zum Autorendasein gehört mehr als Schreiben.
Mit Ritualen habe ich es nicht so, Schreiben ist eine Leidenschaft, daher nutze ich jede freie Minute dafür.
Woraus entwickeln sich die Ideen für Ihre Geschichten? Was inspiriert Sie, wer inspiriert Sie?
Inspiration lauert überall: hinter einem Baum, bei Ausflügen, manchmal sind es Träume, ein zufällig aufgeschnappter Gesprächsfetzen oder eine Ausschreibung, die ein Thema vorgibt.
Entstehen Ihre Geschichten im Voraus »am Reißbrett«, oder schreiben Sie »drauflos« und lassen Sie den Worten ihren Lauf? Warum ist Ihr Weg in Ihren Augen der Richtige?
Ich schreibe aus dem Bauch heraus ohne aufwendige Planung. Da für mich das Wichtigste an Geschichten die Charaktere sind, schwebt mir meist eine Figur vor.
Bei Romanen ist diese Art zu schreiben mit Fallstricken verbunden. Im Gegensatz zum komplett durchgeplanten Plot entwickelt sich im Nachgang manches, was später eingefügt werden muss.
Für mich ist dieser Weg der richtige, weil meine Figuren mich überraschen und die Geschichte sich beim Schreiben entfaltet. Anders wäre es für mich langweilig.
Diese Vorgehensweise hat vielleicht einen weiteren Vorteil. Wenn ein Lektor mir größere Änderungen empfiehlt, und ich die Argumente verstehe, fällt es mir leicht, Charaktere oder Handlungen umzuformulieren oder zu streichen.
In meinem ersten Roman tauschte ich den Antagonisten aus, wodurch sich das ganze Buch änderte. Ich empfinde das heute noch als Gewinn.
Fühlt sich das »Autorenleben« genauso an, wie Sie sich das vor Ihrer ersten Veröffentlichung vorgestellt haben? Was wünschen Sie sich vom deutschsprachigen Buchmarkt und von Ihrer Leserschaft im Speziellen?
Ich hatte von Anfang an keine romantischen Vorstellungen. »Autorenleben« heißt für mich, neben dem Beruf einen zeitaufwendigen Nebenjob zu haben. Was ich vorher unterschätzt habe, ist das Drumherum wie Marketing, der Zeitaufwand für Lesungen und die Präsenz auf Märkten. Es macht großen Spaß, doch dabei geht Schreibzeit verloren.
Der Buchmarkt allgemein ist logischerweise kommerziell. Mein Wunsch richtet sich eher an die Regierung, das Lesen zu fördern, vielleicht durch Subventionen, zumindest im Kinderbuchbereich. Bücher dürfen kein Luxus sein, sondern sollten für jeden erschwinglich bleiben. Sie sind ein unverzichtbares Kulturgut.
Persönlich freue ich mich, wenn meine Geschichten gelesen werden. Etwas Besonderes ist das Feedback, sei es in einem Brief oder einer Rezension. Dafür schreibe ich.
Lesende zu berühren ist mein erklärtes Ziel, denn Worten wohnt Magie inne. Der schönste Lohn sind die Rückmeldungen, auch kritische.
Das Team von Leserkanone.de dankt Sabine Reifenstahl für die Zeit, die sie sich genommen hat!